Einnahmen aus Streaminggeschäften Popstars verbünden sich gegen Plattenfirmen

Düsseldorf · Die Manager von Helene Fischer, den Toten Hosen und zahlreichen Musikern fordern mehr Beteiligung an Streaming-Einnahmen.

 Sarah Connor, Peter Maffay, Stefanie Kloß von der Band Silbermond und Marius-Müller Westernhagen wollen mehr Geld von Ihren Plattenfirmen

Sarah Connor, Peter Maffay, Stefanie Kloß von der Band Silbermond und Marius-Müller Westernhagen wollen mehr Geld von Ihren Plattenfirmen

Foto: Fotos: Dpa | Montage: Zörner

Helene Fischer, die Toten Hosen, Rammstein und die Kelly Family; Sarah Connor, Peter Maffay, Silbermond und Marius Müller-Westernhagen – in einem gemeinsamen Schreiben haben sich Manager und Anwälte erfolgreicher deutscher Musiker an die großen Plattenfirmen des Landes gewandt und eine höhere Beteiligung an den Einnahmen durch das Musikstreaming gefordert. Man habe beschlossen, die gemeinsamen Interessen der Musiker „zukünftig gebündelt zu vertreten“, heißt es in dem Brief, der Anfang Dezember Entscheidungsträger bei den Labels Universal Music, Sony Music, Warner Music und BMG erreichte. Unterzeichnet hatten ihn mehr als ein Dutzend einflussreicher Manager, das berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS).

Die Künstlermanager wollen demnach mit den Plattenfirmen über die durch Streaminggeschäfte erzielten Gelder verhandeln. Es gebe „das dringende und grundlegende Bedürfnis nach einer Überprüfung und gegebenenfalls Neustrukturierung des Abrechnungs- und Vergütungsmodells im Bereich Streaming“, zitiert die „FAS“ aus dem Schreiben. Gesprochen werden müsse über die „Angemessenheit der Vergütung“. Für Februar haben die Vertreter der Musiker die Plattenlabels zu einem Gespräch eingeladen. Warner habe jedoch bereits abgesagt, offenbar wegen kartellrechtlicher Bedenken.

Einen solchen Zusammenschluss von Künstlern hat es in Deutschland noch nie gegeben. Besonders an dem Vorstoß ist zudem, dass sich die Vertreter der Musiker nicht mit den Streamingdiensten selbst, sondern mit den Plattenfirmen unzufrieden zeigen. Die Branche, die durch den Rückgang von CD-Verkäufen jahrelang in der Krise steckte, hatte sich zuletzt durch das Musikstreaming ein wenig erholt.

Laut dem Bundesverband der Musikindustrie lag die Zahl der Audio-Streams im Jahr 2018 hierzulande bei 79,5 Milliarden, im selben Jahr wurden indes nur noch 57,1 Millionen Tonträger verkauft. 2019 waren es sogar 107 Milliarden Streaming-Aufrufe – ein neuer Höchststand. Dienste wie Spotify führen dabei für jeden gespielten Song einen bestimmten Betrag ab, der je nach Anbieter variiert. Ein Teil davon geht an Interpreten und Produzenten, ein anderer Teil bleibt bei den Plattenfirmen hängen

Dieter Falk kann den Unmut der Kollegen gut verstehen. „Diese Angelegenheit ist der Hauptgrund, warum ich kaum noch etwas mit den großen Plattenfirmen mache, sondern auf Musicals umgestiegen bin, wo fairer verteilt wird.“ Der Düsseldorfer Musikproduzent hat unter anderem 1995 das Album „Abenteuerland“ von Pur produziert, das sich mehr als zwei Millionen Mal verkaufte. Die Platten seines Projekts Falk & Sons, das er mit seinen beiden Söhnen betreibt, erscheinen indes noch bei Universal. Er liest aus der aktuellen Abrechnung vor: „Pro gestreamtem Titel erhalte ich 0,04 Cent“, sagt er, „und das ist bereits das maximal Mögliche, da ich Künstler und Produzent in Personalunion bin.“ Bei der Plattenfirma würde hingegen ein Vielfaches davon ankommen. Wieviel genau, weiß jedoch kaum jemand, auch Falk nicht.

Es sei an der Zeit, diese nebulöse Situation besser auszuleuchten. Die Plattenfirmen würden bei ihren Verträgen auf alten Standards beharren, sagt Falk. Dass sie so viel an den Aufnahmen eines Künstlers verdienten, begründeten sie einst damit, dass die Produktions- und Marketingkosten so hoch seien, erzählt Falk. Die sind aber durch die Digitalisierung immens gesunken: Wenn für ein Album in den 1990er Jahren noch 140.000 Mark an Produktionskosten angesetzt wurden, würden heute 30.000 Euro veranschlagt. „Zudem ist das Internet die günstigste Werbeplattform überhaupt.“ Kurzum: Die Grundlage für die hohen Abgaben an die Plattenfirmen gebe es nicht mehr, sagt Falk.

Vor allem junge und kleine Bands, die sich einer Plattenfirma anvertraut haben, könnten von den Einnahmen aus Streaming nicht mehr leben. „Manchmal sagen Studenten mir stolz, eines ihrer Musikstücke sei auf 10.000 Streamingabrufe gekommen“, erzählt Falk, der an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf lehrt. „Davon können sie sich gerade mal eine Pizza kaufen.“ Umso besser sei es, dass nun die umsatzstärksten Künstler der Branche auf die Barrikaden gingen. „Ich frage mich eigentlich nur: Warum erst jetzt?“

Ein Brancheninsider, der bis vor kurzem bei einer großen Plattenfirma arbeitete, prognostiziert gar, dass es Marktriesen wie Universal in zehn Jahren nicht mehr geben werde. Künstler könnten im Grunde alles selbst produzieren, vom physischen und digitalen Vertrieb bis zum Artwork und zum Marketing. „Früher waren Tourneen ein Promotiontool für CDs, heute ist es umgekehrt.“ Nicht ohne Grund habe denn auch der französische Mutterkonzern Vivendi im Juli 2018 erstmals verkündet, etwa die Hälfte der Anteile an Universal Music veräußern zu wollen.

 Zu den von den Managern und Anwälten vertretenen Künstlern gehören Sarah Connor, Peter Maffay, Marius Müller Westernhagen, Joey Kelly von der Kelly Family und Stefanie Kloß von der Band Silbermond (v.l.). 

Zu den von den Managern und Anwälten vertretenen Künstlern gehören Sarah Connor, Peter Maffay, Marius Müller Westernhagen, Joey Kelly von der Kelly Family und Stefanie Kloß von der Band Silbermond (v.l.). 

Foto: Fotos: Dpa (4), Imago images (1) | Montage: Zörner

Dieter Falk glaubt, dass Plattenfirmen mittelfristig vor allem verwalterische Funktionen zukommen werden – etwa für die Kataloge älterer oder historischer Künstler. „Um neue und frische Künstler zu finden, braucht man sie jedenfalls nicht mehr.“

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