Rolf Dobelli "Ein gutes Leben meint nicht Happiness"

Der Schweizer Bestsellerautor beschreibt in seinem neuen Buch viele Wege zur Zufriedenheit.

Frankfurt Wer strebt nicht nach dem wirklich guten Leben? Der Schweizer Rolf Dobelli (Jahrgang 1966) bietet in seinem neuen Buch 52 Denkmodelle an, die helfen können, die Welt neu zu sehen und damit Pfade zum guten Leben zu beschreiten. Nach seinen in über 40 Sprachen übersetzten Büchern "Die Kunst des klaren Denkens" und "Die Kunst des klugen Handelns" heißt es jetzt: "Die Kunst des guten Lebens" (Piper, 380 S., 20 Euro).

Wie lange schon sind Menschen auf der Suche nach einem guten Leben?

Dobelli Das beginnt mit der Ethik, wobei die Griechen und danach die Römer Ethik nicht so verstanden haben, wie wir es heute tun. Denn für sie umfasste Ethik die Frage: Wie führe ich ein gutes Leben? Das gute Leben ist praktisch ein Begriff aus der Antike. Die Frage hat Menschen fast 700 Jahre bewegt, bis dann das Christentum aufkam und ein anderes Verständnis von Ethik herrschte - nämlich als Moral und als eine Anleitung zum moralischen Handeln.

Warum ist die Suche nach Glück immer attraktiver geworden? Es gibt inzwischen so viele schreckliche Anleitungen und Ratgeber dazu.

Dobelli Die Suche nach dem guten Leben meint etwas anderes: Es ist auf jeden Fall nicht einfach gleichbedeutend mit Happiness.

Was ist es dann?

Dobelli Unser Gehirn ist ein wunderbares Organ. Es nimmt alles auf und verarbeitet alles, was uns ständig umgibt. Aber: Dieses Gehirn kann auch ein Fluch sein. Der Fluch ist nämlich, dass wir permanent uns selbst falsch sehen und auch die Realität um uns herum falsch sehen. Dann kommt es zu Störungen: Wir treffen falsche Entscheidungen und hegen toxische Gefühle wie Selbstmitleid und Neid. Da hilft es dann ungemein, wenn man ein paar Werkzeuge hat, mit denen man diese negativen Seiten des Gehirns zumindest reduzieren kann.

Manchmal kann Neid auch Antrieb sein . . .

Dobelli . . . selbstverständlich. Aber man muss wissen, dass unser Hirn diesen Neid automatisch produziert, wenn etwa der Nachbar das Zehnfache verdient, obwohl er keineswegs smarter ist als wir. Darum sind bestimmte Werkzeuge hilfreich, die unser negatives Denken in Schach halten. Abstellen kann man sie freilich nicht.

Welche Werkzeuge sind wichtig?

Dobelli Zum einen kommt es auf die jeweilige Situation an. Beim Neid etwa vergleichen wir uns mit Menschen, picken dabei aber oft eine Eigenschaft heraus und machen die dann ungeheuer wichtig. Etwa: Er hat ein größeres Auto als ich, eine schönere Frau, schönere Kinder - was auch immer. Aber würden sie einmal ihr alltägliches Leben von Minute zu Minute mit dem Leben des von ihnen Beneideten vergleichen, so spielt das Auto plötzlich keine Rolle mehr.

Sie empfehlen auch Rituale; ein komisches ist das Ritual, das Sie mit Ihrer Frau stets zum Jahresende beherzigen. Wenn sie gemeinsam die Namen von Menschen auf Zettel schreiben, die Ihnen nicht guttun und sie diese darum künftig meiden wollen. Dann schmeißen Sie diese Zettel einfach in ein Feuer. Klingt eigenartig, oder?

Dobelli Ja, ja, ich weiß, so etwas macht man nicht. Aber es sind ja auch nur ein paar Zettel. Meine Erfahrung ist tatsächlich, dass dadurch die Mahnung, diese Leute im neuen Jahr verstärkt zu meiden, wirkt. Überhaupt sind Rituale, besonders am Morgen, für die eigene positive Gehirnreinigung unheimlich gut. Es ist immer gut, wenn man sich auf den vor einem liegenden Tag einstellen kann.

Sie kommen oft auf den Stoizismus zurück, auf eine Haltung also, manche Dinge einfach mal zu akzeptieren, mögen sie auch schlecht sein.

Dobelli Das Leben ist wirklich nicht einfach. Und es gibt nicht haufenweise Methoden, mit deren Hilfe man dann easy durchs Leben spazieren kann. Wir können die Welt nicht nach Belieben verbessern. Und die stoische Philosophie hilft bei der Entscheidung: Was kann ich verändern, was nicht. Und wir können immer viel weniger verändern, als wir eigentlich vorhaben. Das gilt es dann auch zu akzeptieren.

LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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