Ein deutscher Arzt verliert sich im afrikanischen Dschungel

Drama "Schlafkrankheit" von Ulrich Köhler zeigt die Verwilderung in der Seele eines Auswanderers

Ebbo ist Arzt in Kamerun, er betreut ein Projekt zur Erforschung der Schlafkrankheit. Er lebt mit seiner Frau in einem Haus im Dschungel, die Tochter lernt in Deutschland im Internat. Aber die Familie möchte wieder zusammen sein, Ebbos Zeit in Afrika läuft ab, die Rückkehr steht bevor. Der 42-jährige Regisseur Ulrich Köhler zeigt den Urwald in seinem Film "Schlafkrankheit" als undurchdringlichen Ort. Das Rauschen und Sirren der Blätter und Insekten wirkt auf Europäer wie eine akustische Wand, und nachts verschluckt die Dunkelheit den Lichtkegel der Taschenlampe.

Was diesen Film, der bei der Berlinale den Silbernen Bären für die beste Regie gewann, auszeichnet, sind die stillen Momente. Die langen Fahrten über Pisten aus Sand. Das hellbraune Wasser des Flusses. Die Echse am Fenster. Seine Geräusche. Köhler ist eine zentrale Figur im losen Verbund von Filmemachern, die unter dem Titel Berliner Schule geführt werden. Sie alle sind Spezialisten für das Beiläufige, die Lücken zwischen den Worten und die Unentschlossenheit der Handelnden. Köhlers Hauptfiguren fühlen sich fremd in ihrer Haut, so erging es dem Bundeswehr-Deserteur in "Bungalow" (2002) und der aus ihrer Familie flüchtenden Mutter in "Montag kommen die Fenster" (2006). Auch hier gelingt es Köhler zu Beginn, das Land mit flackernden Kameraeinstellungen als bedrohliches Dickicht darzustellen. Dem Charakter Ebbos, der im Laufe der 90 Minuten immer störrischer und unzugänglicher wird, entspricht das: Man sieht seiner Seele beim Verwildern zu.

Die Schwäche des Films ist indes seine Dramaturgie. Die Handlung zerfällt in drei Teile. Im zweiten sehen wir Ebbo, der allein in Afrika zurückgeblieben ist, Jahre nach den ersten Akt. Er lebt inzwischen mit einer afrikanischen Frau, sie erwartet ein Kind. Ein schwarzer Arzt von der WHO in Paris soll auf seiner ersten Afrika-Reise Ebbos Arbeit evaluieren. Ebbo ist schroff, der Arzt findet keinen Zugang zu Menschen und Landschaft. Köhler zerhackt die eigentlich einfache Geschichte, sie wirkt jetzt künstlich verrätselt, wichtige Informationen werden dem Zuschauer bewusst vorenthalten, der Film ermüdet.

Vor den dritten Teil hat Köhler eine Tafel montiert, "Drei Jahre später" steht darauf, ein Zugeständnis an die Logik, das er bei der Uraufführung noch weggelassen hatte. Ebbo begegnet dem Pariser Arzt abermals. Sie wandern im Urwald, Ebbo geht verloren, und man zuckt nur mit den Schultern. ll

(RP)
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