Weimar Ein Alleskünstler aus Antwerpen

Weimar · Henry van de Velde wird in Weimar zu seinem 150. Geburtstag gefeiert

Der im April 1863 in Antwerpen geborene Henry van de Velde war ein Alleskönner. Sein Gestaltungswille umfasste das gesamte Lebensumfeld des Menschen von der Schraube bis zum Haus. "Dieser kleine Flame war ein Wunder an Kreativität." So schwärmt Thomas Föhl von dem Architekten und Produktgestalter, der zugleich als einer der vielseitigsten Künstler des Jugendstils und des Art Nouveau gilt.

Föhl ist Kurator der Galaschau im Neuen Museum Weimar zu van de Veldes 150. Geburtstag. Die mit rund 700 Exponaten bestückte Präsentation ist orientiert an den Lebensstationen des 1957 in der Schweiz gestorbenen "Alleskünstlers", wie Föhl ihn nennt. Darüber hinaus stellt sie sein Schaffen einer Auswahl von Werken maßgeblicher Zeitgenossen und Konkurrenten wie Peter Behrens oder Victor Horta gegenüber. Auch Arbeiten seiner Schüler und Umsetzungen seiner Entwürfe durch thüringische Handwerker sind zu sehen.

Das Gemälde "Kettelndes Mädchen" (1890) weist darauf hin, dass van de Velde seine Laufbahn als Maler begann. Doch ihm kamen Zweifel an der sozialen Relevanz von Gemälden. Daher gab er 1893 die Malerei auf, um das Leben der Menschen durch die Gestaltung eines ästhetisch stimmigen Umfeldes zu verbessern. Föhl: "Der Alleskünstler blieb lebenslang seiner Überzeugung treu, die Gestaltung eines Gegenstandes sei desto vollkommener, je exakter sie dessen Zweck entspreche." Mit seiner auf der Ausdruckskraft der Linie beruhenden Produktgestaltung wurde er zu einem Wegbereiter der Moderne. Das illustriert die Schau mit einem nierenförmigen Schreibtisch (1899), einer vierflammigen elektrischen Deckenleuchte (1898) oder der "Grün-rosa-Tapete Nr. 4".

Als Berater des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar und Eisenach ließ sich van de Velde 1902 in Weimar nieder. Die Weimarer Jahre, die bis zum Rückzug in die Schweiz 1917 währten, gelten als seine beste Zeit. Die Ausstellung veranschaulicht das durch eine mit Leuchtern und Silbergerät, Porzellan und Besteck bis hin zu Austerngabel und Hummerstift reich gedeckte Tafel. Auch als Architekt tat er sich hervor. In Weimar belegen dies das Kunstschulgebäude und die seinerzeit von ihm geleitete Kunstgewerbeschule. Die beiden letzteren werden heute von der Universität genutzt und waren ab 1919 Lehrgebäude des Staatlichen Bauhauses.

Die Schau klingt mit einem Blick auf das in den Niederlanden und Belgien geschaffene Spätwerk aus. Noch mit über 70 Jahren war er zu Lande und zu Wasser tätig. Ein Modell und Fotografien zeigen die von Henry van de Velde entworfene Innenausstattung des Fährschiffs "Prince Baudouin" (1933/34), eine hölzerne Doppelbank mit Gepäckablage (1933/34) weist auf seine Entwurfstätigkeit für die Belgische Staatsbahn hin.

Info Bis 23.6. im Neuen Museum, Weimar; www.klassik-stiftung.de/vandevelde

(RP)
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