„Düsseldorfer Reden“ Dunja Hayali redet Tacheles

Düsseldorf · Die Journalistin hielt eine eindringliche Rede beim ausverkauften Finale der „Düsseldorfer Reden“ im Schauspielhaus.

 Dunja Hayali bei ihrem Vortrag. Das Publikum bedankte sich mit Standing Ovations.

Dunja Hayali bei ihrem Vortrag. Das Publikum bedankte sich mit Standing Ovations.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Wenn die Bemerkung „Tacheles reden“ auf jemanden zutrifft, dann ist es Dunja Hayali. Das liegt nicht nur daran, dass die Tochter eines christlichen irakischen Paares aus dem Ruhrgebiet stammt. Die Journalistin nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, das Grundgesetz hochzuhalten. Mit feinem Gespür erfasst sie kleinste Erschütterungen und sendet unverzüglich die notwendigen Signale zur Verteidigung des Fundaments unserer Demokratie aus. Kämpferisch und im besten Sinne missionarisch. Für ihre Standhaftigkeit allerdings bekommt sie große Anfeindungen zu spüren – vor allem über die Sozialen Medien, die Hayali „A-Soziale Medien“ nennt. In einem Interview erklärte sie, dass sie inzwischen Pfefferspray bei sich trage. Dennoch: „Keinen Fingerbreit mache ich Platz“, rief sie aus, als sie jetzt im ausverkauften Düsseldorfer Schauspielhaus von Respekt und Mut, von Gastfreundschaft und von der Abenteuerlust der kleinen Romanheldin Madita sprach, die Astrid Lindgren erfand.

Als Vortrag war die Veranstaltung angekündigt, es wurde ein Manifest. Dieses bildete das perfekte Finale der Reihe „Düsseldorfer Reden“, bei der Rheinische Post und Schauspielhaus kooperieren. „Die inspirierende Zusammenarbeit führen wir fort“, sicherte Lothar Schröder, Kultur-Chef der RP, in seiner Einführung zu. Denn wie alle Termine war auch dieser stark nachgefragt. „Wenn 800 Menschen sich bei herrlichem Wetter in einen fensterlosen Saal begeben, muss das schon eine besondere Veranstaltung sein.“ Und er versprach: „Sie haben die richtige Entscheidung getroffen.“

Hayali hat ihre Rede mit dem Titel „zusammen – wachsen“ überschrieben. Ein hoffnungsvoller Gedanke, dem allerdings die Verhältnisse zusetzen: Regelwerke, die ins Wanken geraten, Mechanismen des Populismus, eine hochtechnisierte Welt, Digitalisierung. Darum der Bindestrich. Auf ihn muss man achtgeben, damit der Zusammenhalt der Menschen nicht auseinanderbricht. „Es gibt so viel Veränderung, wo finden wir Halt?“ fragt Hayali.

Ihre Andockstation ist das Grundgesetz. „Ich sehe mich als Verfassungspatriotin.“ Deswegen hat es ihr keine Angst einjagen können, dass 2015 sehr schnell sehr viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. „Es hat niemand für sie die Grenzen geöffnet, die meisten von ihnen waren schlichtweg auf der Flucht. Wer von uns vermag sich über diejenigen zu erheben, die ihr Glück suchen.“ Nicht die Zivilgesellschaft. „Die hat funktioniert und geholfen. Dafür an dieser Stelle vielen Dank.“

Die Populisten hingegen, welche „die Demokratie wie einen Selbstbedienungsladen“ nutzten, hätten sich selbst des kleinsten gemeinsamen Nenners gegenseitiger Achtung entledigt, als hätte es das Wertesystem, nach welchem unsere Gemeinschaft funktioniere, nie gegeben. „Sie kreieren Feindbilder gegenüber Minderheiten ohne Tabu, nach dem Motto, wenn ich es nur oft genug sage, dann wird es auch geglaubt. Aber Unsinn wird nicht durch Wiederholung zur Wahrheit.“ An dieser Stelle unterbricht Hayali ihre Ausführungen; mit Freuden und nicht zum ersten Mal, denn das Publikum applaudiert vehement. „Alles zu sagen, ist nicht Meinungsfreiheit“, sagt sie.

Ja, im Getöse der Menschenverächter und mutwilligen Angstmacher könne die Tatsache untergehen, dass eine demokratische Gemeinschaft die Wahl habe: dass sie sich auch gegen Erdogan und Trump hätte entscheiden können, sich der neuen Rechten in den Weg stellen und für mehr Bildung und Vielfalt kämpfen könnte. „Wie schrecklich langweilig wäre es, wenn wir alle gleich wählten, die gleiche Religion hätte, gleich liebten.“ Und dann erzählt sie die Geschichte von Astrid Lindgrens Madita, die mit einem Schirm vom Dach springt, weil sie so gern fliegen möchte und sich ein paar Kratzer holt. „Erfahrungen können Schrammen verursachen, aber das Leben geht auch mit Schrammen weiter.“

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