Uraufführung in Düsseldorf Rheingold mit Heavy Metal

Düsseldorf · Nach einem halben Jahr coronabedingter Zwangspause hat sich das Düsseldorfer Schauspielhaus jetzt mit einer Uraufführung zurückgemeldet. „Das Rheingold. Eine andere Geschichte“ bürstet Richard Wagner bilderreich gegen den Strich.

 Szene aus der Uraufführung von „Das Rheingold“ mit Floran Lange.

Szene aus der Uraufführung von „Das Rheingold“ mit Floran Lange.

Foto: Schauspielhaus/Thomas Rabsch

Theater im Freien – das hat was. Viele stellen auf den Rängen zwanglos ein Gläschen Wein oder eine Flasche Bier neben sich, um den Abend locker zu beginnen. Schließlich gibt es etwas zu feiern. Nach mehr als einem halben Jahr darf das Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses wieder vor Publikum auftreten.

In einer kunstvoll abgewrackten, multimedialen Fantasy-Kulisse bietet Regisseur Roger Vontobel die Uraufführung eines Stücks von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel: „Das Rheingold. Eine andere Geschichte“, angelehnt an Richard Wagners ersten Teil seines Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ und zugleich eine Kampfansage an die Mythengläubigkeit des Komponisten. Von den Rheintöchtern bis zu den Riesen versammelt sich auf dem Gustaf-Gründgens-Platz vor dem festungsähnlichen Theaterbau zwar das bekannte Personal, doch dient es in der neuen Fassung dazu, die Jagd nach Geld und Gold infrage zu stellen. Mehr als einmal werden die Zuschauer dabei auch an den Düsseldorfer Hochglanz ringsum denken.

Schon das Bühnenbild bietet dazu einen Kontrast. Teile eines ausgemusterten Flugzeugs sind über den Platz verstreut, dienen am Eingang als Kiosk oder in der Bühnenmitte als wetterfeste Behausung einer Heavy-Metal-Band. Zuweilen tritt aus dem Flugschrott Dampf.

In solcher Umgebung schreien sich die hoch motivierten Mitglieder des wieder erwachten Ensembles die Seele aus dem Leib, von einer Live-Kamera oft in Einzelansicht auf einen der riesigen Bildschirme projiziert. Nicht nur die Auftrittsreihenfolge der Wagnerschen Figuren ist beibehalten, auch die Charaktere entsprechen meist den argwöhnisch beleuchteten Vorbildern. Eine kenntnisreiche Hassliebe muss den Regisseur und die beiden Autoren mit Wagner verbinden.

Im Mittelpunkt steht Florian Lange als Alberich, der Zwerg vom Volk der Nibelungen, ein Wesen von lädierter Gestalt und Kleidung, mit zerzaustem Haar und von gebrochenem Wesen. Dies ist seine Geschichte: Nach jahrhundertelanger Arbeit unter Tage flieht er ans Licht, in eine, wie er glaubt, bessere Welt, die sich jedoch als Trug erweist, als Ort, an dem sich die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Macht und Ohnmacht nicht überwinden lässt. Am Ufer des Rheins treiben drei reiche blonde Nixen in silbern spiegelnden Kostümen mit dem Zwerg ein übles Spiel. Sie geben ihm den zynischen Rat, er müsse in seiner neuen Heimat bloß der Liebe entsagen, um reich und mächtig zu werden. Der Zwerg ist gewitzter, als die Rheintöchter denken, folgt dem Rat und prellt seine lieben Nixen um das Gold aus der Tiefe des Stroms, das sie bis dahin behütet haben. Er schmiedet sich einen Ring der Macht und stürzt sich in den Streit der Götter und der Riesen um die Burg Walhall, wo allein Geld zählt.

In der Düsseldorfer Inszenierung kommt das Rheingold in menschlicher Gestalt daher. Sieben jugendliche Skaterinnen und ein Skater in goldfarbenen Outfits verkörpern es und flitzen über die Bühne, bis ihr Elan verfliegt und sie sich nur noch mühsam auf Schuhen fortbewegen. Manuela Alphons sagt der Welt als beschwörend artikulierende Göttin Erda von einem ramponierten Campingbus herab ein böses Ende voraus: „Nie wieder wird euch klares Wasser über den Leib rinnen.“ Mit den Rheintöchtern singt sie um die Wette, und ständig tönt die Heavy-Metal-Band.

Als Wotan führt auch Florian Claudius Steffens Warnendes im Munde: „Die Herrschaft wärmt nicht, sie ist aus kaltem Stein." Auf dem Dach des Schauspielhauses steht später Andreas Grothgar als Riese Fafner. Er hat die neue Feste aus dem Boden gestampft.

Als Loge hebt sich André Kaczmarczyk aus dem hochtourigen Ensemble durch stille Momente ab, durch eine Poesie, in der auch Blüten und Bienen Raum haben.

Bald fährt Alberich mit dem geraubten Gold nach Nibelheim, in seine Heimat unter der Erde. Dabei bedient er sich jenes Campingbusses, der immer mal wieder eine Runde über die Bühne und anschließend über das Rondell des benachbarten Drei-Scheiben-Hauses dreht.

Nach der Pause beherrschen schwarze Fahnen die Bühne, in Schubkarren lodern Flammen, es riecht nach Nationalsozialismus. Die Rheintöchter tanzen jetzt in schwarzen Jacken, denn es ist arg kalt geworden an diesem Abend. Alberich stapft an zwei riesigen Stöcken über die Bühne und zieht einen golden Helm auf, der ihn unsichtbar macht, so dass er das Gold besser bewahren kann. Die Skater rollen nicht mehr, sie hängen schlaff über dem Bus. Die Lautstärke auf der Bühne lässt nach, ein Mord ist geschehen, Fafner hat seinen Bruder Fasolt erschlagen.

Was danach kommt, wirkt etwas neblig wie vieles in der Inszenierung. Schließlich geht es um Mythen. Dennoch wendet sich das Stück unmissverständlich gegen die Verherrlichung von Geld und Macht und damit auch gegen Richard Wagner, der am Ende der Nibelungen-Tetralogie den Rheintöchtern den Ring zurückgibt; die lösen ihn zu reinem, "lauterem" Gold auf.

Das Publikum dankte dem überglücklichen Ensemble mit lang anhaltendem Applaus. Ein Schatten fällt auf die Premiere durch ein Flugblatt, das am Rande verbreitet wurde: „Facts zu Wagner, Gründgens & nordischer Mythologie“. Die Nähe aller drei Stichwörter zu Antisemitismus und Nationalsozialismus ist seit langem bekannt und unbestritten. Wenn das angeblich von Mitarbeitern des Schauspielhauses verfasste Flugblatt allerdings behauptet, die Premiere finde „ohne entsprechende Einordnung“ statt, stimmt das nicht. In einem Interview im Programmheft, das auch auf der Homepage des Schauspielhauses steht, distanziert sich Autor Zaimoglu klar von „Germanentümlern“ und fasst zusammen: „Wagner hat wunderbare Opernkunstwerke geschrieben, aber sobald er sich über das Verkommene seiner Zeit geäußert hat, war das leider von einer solchen Erbärmlichkeit, ein solcher Qualitätsschwund. Da bleibt uns nichts anderes übrig, als Künstler und Kunstwerk zu trennen.“

Kunst muss aus ihrer Zeit verstanden werden. Wenn wir sie stattdessen löschen, verzichten wir auf Auseinandersetzungen, die uns für die Zukunft wappnen.

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