Düsseldorfer Asphalt-Festival beginnt spektakulär Der Majdanek-Prozess als Theaterstück

Düsseldorf · Das sommerliche Asphalt-Festival der Künste eröffnet in Düsseldorf mit starkem Theater sowie einem ungeheuerlichen und grenzwertigen Tanz.

 Szene aus der Inszenierung von "Im Process" in der Berger Kirche.

Szene aus der Inszenierung von "Im Process" in der Berger Kirche.

Foto: R. Puder/Ralf Puder

Düsseldorf wird seit wenigen Jahren mit einem Festival beschenkt, das Theater, Konzerte und Tanz in die kulturfreie Zeit der großen Ferien trägt. Nicht nur in dieser Hinsicht ist Verlass auf das Asphalt-Festival, das diesen Namen trägt, weil es schnöde Räume in leuchtende Kulturorte verwandelt. Seinen künstlerischen Leitern Bojan Vuletić und Christoph Seeger-Zurmühlen ist es zudem gelungen, konsequent einen Spielplan zu realisieren, der Anspruch und Genuss miteinander zu verknüpfen weiß. Wer sich akuten gesellschaftspolitischen Fragen stellen möchte, kommt an der programmatischen Kunst des Asphalt-Festivals nicht vorbei. Allerdings muss man sich auf manch‘ abenteuerliche Reise gefasst machen wie jetzt bei der Eröffnung der Festivalausgabe 2021.

Gleich zwei Inszenierungen markieren den Startpunkt: das Theaterstück „Im Process“ der Gruppe Pièrre.Vers und die infernalische Regiearbeit „Tanz“ von Florentina Holzinger. „Im Process“ beschäftigt sich mit dem Majdanek-Prozess, der am 30. Juni 1981 in Düsseldorf zu Ende ging. In dem Verfahren um das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek in Polen standen Aufseher und Wächter vor Gericht, denen eine Mitschuld an den nationalsozialistischen Gräueltaten zur Last gelegt wurde.

Regisseur Christoph Seeger-Zurmühlen hat die Aufführung in eine schlichte Kirche inmitten der Düsseldorfer Altstadt verlegt. Im Altarraum wird eine Gerichtsverhandlung abgehalten, in deren Verlauf Biografien, historische Fakten und die Macht der Sprache ein starkes dramaturgisches Geflecht bilden. Menschen, deren Familien ausgelöscht wurden und die täglich unvorstellbares Leid mitansehen mussten, begegnen ihren Peinigern und deren Verharmlosungstaktik. Frauen und Männer, die so viel Not litten, dass sie fürchteten, auch sie könnten ihre Menschlichkeit im Kampf ums Überleben verlieren.

Ruhig erzählt jeder seine Geschichte. Das Drama gleitet sachte von der Bühne zu den Zuschauern, während der junge Schauspieler Pablo Vuletić eine Generation repräsentiert, die sich einer neuen, unmissverständlichen Vergangenheitsbewältigung zuwendet. Das Theaterkollektiv „Pièrre.Vers“ hat schon häufiger die Notwendigkeit der Erinnerung in Szene gesetzt. „Wir geben den Männern und Frauen eine Stimme“, hat Seeger-Zurmühlen dazu einmal gesagt und dies zu einem Prinzip seiner Arbeit gemacht.

Zweites Eröffnungsstück ist „Tanz“ von Florentina Holzinger. Die Österreicherin gilt als schier unaufhaltsam, wenn es um die Freiheit künstlerischer Ausdrucksformen geht. Ausgangspunkt ist diesmal der Ursprung des romantischen Balletts, der die Tänzerin zu einem Luftwesen stilisiert, was nicht ohne Drill vonstatten geht. Holzinger rechnet mit der Zurschaustellung des weiblichen Körpers ab. Sie inszeniert eine Horrorshow, die auf aberwitzige Weise Tanz und Stunts nebeneinander stellt. Die Performerinnen sind während der mehr als zweistündigen Vorstellung nackt und verschieben zunehmend die Grenzen dessen, was als zumutbar erscheint. Einer Tänzerin werden Metallhaken in den Rücken gestochen, an denen sie sich in die Luft ziehen lässt. Tabuloser dürfte die Auseinandersetzung um Voyeurismus und Frauenkörper derzeit wohl auf keiner Bühne anzutreffen sein. Es begegnen sich Folter und Kunst, nicht nur das ist an diesem Abend schwer auszuhalten. Einige Zuschauer verlassen das Theater vorzeitig. Die, die bleiben, applaudieren kräftig.

Infos www.asphalt-festival.de

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