Künstlerporträt Warum Shinpei Takeda Denkmäler virtuell zerstören lässt
Düsseldorf · In seinen interaktiven Ausstellungen verarbeitet der japanische Künstler auch Erinnerungen aus der eigenen Kindheit. Was er mit dem Verein „Antimonument“ an der Erinnerungskultur ändern will und warum es ihn zweimal im Leben nach Düsseldorf verschlug.
Als Shinpei Takeda im Jahr 1985 nach Meerbusch kam, weil sein Vater von der Firma dorthin geschickt wurde, war er gerade einmal sechs Jahre alt. Es war eine „komische Welt“ für ihn.
Auf der einen Seite war da die große deutsche Gesellschaft. „Leute haben mich angeguckt, das war immer so“, erinnert sich Takeda. „Meine Mutter hat gesagt: Du repräsentierst alle Japaner, alle Immigranten. Ich musste ein guter Ausländer sein.“ Und dann gab es auf der anderen Seite das kleine japanische Dorf in Düsseldorf. Besonders am Samstag war die Immermannstraße ein beliebter Treffpunkt, nicht ohne Grund gab es sogar einen japanischen Popsong namens „Immermann am Samstag“.
Zwischen unterschiedlichen Masken musste er wechseln, ein Leben zwischen unterschiedlichen Persönlichkeiten. „Das war so schwer für mich“, sagt Takeda rückblickend auf die fünf Jahre seiner Kindheit in Deutschland. Noch verwirrender wurde es für ihn durch die historischen Ereignisse, etwa die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 oder den Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989. Als Kind habe er beides nicht ganz verstanden, sagt er.
Jetzt sieht das ganz anders aus. Als Künstler setzt sich Takeda auf kreative Weise mit der Geschichte auseinander. Zuletzt hat er in der Düsseldorfer Galerie Wildpalms die interaktive Ausstellung „Antimonument Extended“ organisiert, bei der Besucher drei Düsseldorfer Denkmäler virtuell zerstören konnten – Denkmäler von Bildhauern, die vom nationalsozialistischen Regime profitiert hatten.
„Antimonument“ ist auch der Name des Vereins, den Takeda im Jahr 2016 gegründet hat und der sich gegen Monumente ausspricht. Was genau stört ihn an Denkmälern? Die Erinnerungskultur rund um Denkmäler sei statisch, sagt Takeda, sie trage nicht zum Erinnern, sondern zum Vergessen bei. „Es dauert einige Zeit, das Denkmal zu bauen, aber dann ist es fertig. Einmal im Jahr bringt man Blumen vorbei, dann sagt man: Ciao.“ Sollen Denkmäler also zerstört werden, wie es in seiner Ausstellung virtuell möglich war? Nein, sagt Takeda, denn auch das sei nur ein Ausweg, bei dem man schnell fertig sein wolle. Wichtig sei eine lebendige Erinnerungskultur, die von den vielen unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven lebe. Bei „Antimonument“ gehe es darum, weiterzudenken, den Dialog zu erweitern, in Bewegung zu bleiben. So sollte beispielsweise die Ausstellung „Antimonument Extended“ auf die Geschichte hinter dem „Stehenden Jüngling“, dem „Bergischen Löwen“ und der „Meerschnecke“ aufmerksam machen.
Eine Erinnerungskultur, in der es nur darum gehe, nicht zu vergessen, sei nicht zielführend. „Es ist utopisch zu sagen, dass wir nicht vergessen. Zu vergessen ist menschlich“, so Takeda. Wichtig sei es, von der Geschichte zu lernen und die Bezüge zur aktuellen Welt zu erkennen.
Seit zehn Jahren lebt Takeda in Düsseldorf – für seine Frau ist er zurück an den Rhein gezogen. Zuvor hat er in den USA und in Mexiko gelebt. Studiert hat er nicht etwa Kunst, sondern Geologie und Organisationstheorie. Das Handwerk hat er vom Umfeld gelernt, gerade in der mexikanischen Stadt Tijuana, wo viel improvisiert werde. Eng verbunden sei die Kunst mit der Gesellschaft: „Ich muss meine Stimme finden und sprechen“, so Takeda.
Über Kunst gehen seine Projekte hinaus. Wichtig sei ihm, das Abstrakte mit etwas Konkretem zu verknüpfen. Schon lange vor „Antimonument“ hat Takeda in San Diego „The AjA Project“ gegründet, das seit mittlerweile 23 Jahren Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund kreativ fördert. Ein anderer Schwerpunkt seines Schaffens ist die Erinnerung an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Er hat mit vielen Überlebenden gesprochen, entstanden ist unter anderem der Film „Hiroshima Nagasaki Download“.
Nach der Ausstellung in Düsseldorf will Takeda „Antimonument Extended“ nun in ähnlicher Form in andere Städte bringen. Gemeinsam mit Studierenden der Hochschule Düsseldorf überlege er bereits, wie man das virtuelle Spiel verbessern könnte. Seit 2018 arbeitet Takeda mit dem Labor für Virtuelles Studio / Virtuelle Realität von Jens Herder zusammen. Eine Variante sei für Nagasaki geplant, die jedoch sensibler ausfalle, da die Fragestellung eine andere sei. Vorstellen kann sich Takeda auch, problematische Denkmäler in San Diego oder in weiteren deutschen Städten in den Blick zu nehmen. Aber auch in Düsseldorf gebe es noch mehr zu beleuchten, etwa die Skulpturen von Arno Breker, der als Hitlers Lieblingsbildhauer galt.
„Düsseldorf ist ein Teil von mir“, sagt Takeda. Lange habe er sich als Ausländer gefühlt und die Institute als „geschlossen“ wahrgenommen. Auch heute spüre er oft noch eine Distanz, trotz aller Marketing-Slogans zur Diversität. Doch auf der anderen Seite gebe es viele Menschen, die ihm helfen möchten, was ihn freue und motiviere. „Ich möchte etwas für diese Stadt machen“, so der Künstler.
Inzwischen finde er sein Leben zwischen Japan, Deutschland, Mexiko und den USA nicht mehr verwirrend. „Jetzt mag ich diese Diversität drin in mir“, sagt Takeda. „Ich habe viele Seiten von mir und jetzt akzeptiere ich alle.“