Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann aus Düsseldorf Nachruf auf einen Anti-Helden

Düsseldorf · Er war ein Künstler, der klug und witzig mit Bildern zu spielen wusste. Hans-Peter Feldmann ist diese Woche im Alter von 82 Jahren gestorben.

 Hans-Peter Feldmann bei seiner Ausstellung in Hilden 2016.

Hans-Peter Feldmann bei seiner Ausstellung in Hilden 2016.

Foto: Barbara Steingießer

Seinen letzten großen Triumph feierte Hans-Peter Feldmann vor kurzem in der Alten Nationalgalerie Berlin, als er zu den marmornen Prinzessinnen von Johann Gottfried Schadow seine eigene kolorierte Doppelfigur aus dem Kunstpalast stellte. Dem marmornen Glanz des Ausnahmebildhauers der Preußen setzte der Schalk aus Düsseldorf dessen Gipsabguss entgegen. Mit der polychromen Farbfassung verlor die Komposition des Vorfahren ihre unnahbare Aura. Sie wurde zu einer reproduzierbaren Massenware mit Pop-Art-Charakter. Ein listiger Schachzug des Rheinländers gegen den Vater der Berliner Bildhauerschule. Nun ist Feldmann mit 82 Jahren in Düsseldorf gestorben.

Er hatte es faustdick hinter den Ohren. Er pfiff auf die Verkäufer der Kunstmessen, zog 2015 im grauen Anzug eines Biedermanns durch die Gänge der Art Cologne und verkündete auf weißem Schild in schwarzer Schönschrift das Credo des Marktes: „Hell erstrahlen alle Mienen bei dem schönen Wort verdienen.“ Er selbst war gut im Geschäft, stellte auf der Documenta und im Guggenheim-Museum, in Louisiana, im Reina Sofia und auf der Biennale von Venedig aus. Doch der Gewinn interessierte ihn nicht wirklich. Als er 100.000 Dollar Preisgeld im Jahr 2011 gewann, heftete er es in Ein-Dollar-Noten an die Wand des New Yorker Guggenheim. Die auf Gewinn gepolten Kunstgänger staunten, und die Serie fand ihren Widerhall in der Filmserie „Tatortreiniger“.

Jahrzehntelang war er ein Freund der kleinen Form. Von 1975 bis 2015 standen er oder seine Frau in der Düsseldorfer Altstadt in einem Ladenlokal und boten wundersame Dinge wie Blechspielzeug, winkende Queens oder Nippes an, allesamt schöne, aber banale Kostbarkeiten. Später verkaufte er den gesamten Inhalt des Ladenlokals wie eine Wunderkammer für viel Geld ans Münchner Lenbachhaus.

Er war ein Meister der Reproduktionskunst. Seit den 1968er- Jahren nahm er den Pinsel nicht mehr in die Hand, übermalte höchstens „Knauer‘s Jugend-Lexikon" und nutzte Motive wie Neuschwanstein oder Hochzeitstauben, um mit ihnen wie ein Kind zu spielen. Er liebte das Cover, das den Inhalt ersetzt. Ihn interessierte der Bilderfundus, aber auch der Mensch, dessen Psyche er stets durchschaute. So kultivierte er den Außenseiter, agierte wie ein Nachfahre von Marcel Duchamp, aber liebte den hintersinnigen Humor. So genügte ihm ein bloßes Nebeneinander der Abbilder von Tätern und Opfern in einem seiner Fotobücher, doch ohne Bildunterschriften verschwand die Unterteilung in Gut und Böse. Wertmaßstäbe pflegte er generell zu hinterfragen.

Er ließ nicht nur malen, sondern kaufte auch Bilder auf Auktionen und veränderte sie, indem er die Gesichter weiß übermalte. Wo die Perücke begann, gönnte er dem Werk einen leichten Schatten, so dass der Betrachter ein Loch sah, was nicht stimmte. Er sezierte Alltagsgegenstände, bevor er sie sich an die Brust nahm. „Wenn ich etwas richtig kann, dann ist es das Schauen“, sagte er und verbrannte mit dem Bügeleisen ein Spitzennachthemd genau am Schritt.

Schielende Mädchen mit roten Bäckchen im Großformat waren seine Spezialität. Er nahm die Motive aus den besten Museen der Welt, vergrößerte den Ausschnitt, bis nur der Kopf mit dem von ihm manipulierten schälen Blick übrig waren. Die Käufer nahmen seine Bilder ab, obwohl er die Produkte von einem Schüler des Gerhard Richter malen ließ, mit dem er über Jahrzehnte verbunden war. Signiert hat Feldmann keine Kunst und keine Repros, sondern lediglich die Quittungen.

„Kunst ist eine ganz banale Sache für jedermann“, meinte er. Für das Skulptur-Projekt Münster möbelte er eine Souterrain-Toilette durch bunte Kacheln ästhetisch auf und hängte ein Blumenbild in den Vorraum. Die erleichterte Bevölkerung schickte ihm Dankesbriefe. Nur die katholische Kirche in Köln fand es nicht lustig, als er Michelangelos David aus dem Museumsshop haushoch vergrößerte und den rosarot gefärbten nackten Helden über den Dom hinweg als Begrüßungszeichen für den Christopher Street Day aufstellte.

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