Düsseldorf für Anfänger

"Feel Your Heart Beat" heißt der Slogan des ESC in Düsseldorf. Doch was in der Stadt bringt das Herz seiner Bewohner und Besucher zum Schlagen? Louis-Vuitton-Taschen, Baugruben, Schuldenfreiheit und Großzügigkeit, die meist jedoch als Protzerei missverstanden wird.

"Darf eine 600 000-Seelen-Kolonie, bevölkert von Altbiertrinkern und überkandidelten Millionärsgattinnen, Deutschland repräsentieren?", fragt das Magazin "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe bang.

Ja, es darf, sagen die Düsseldorfer und freuen sich auf den Eurovision Song Contest, damit sie ihre Stadt einmal so zeigen können, wie sie ist – und nicht wie manche jenseits der Stadtgrenzen sie sehen.

Denn es gibt zwischen Angermund und Hellerhof zusätzlich noch Killepitschtrinker und Samtkragen-Liebhaber. Die Düsseldorfer mögen Champagner, Kaviar, Flönz, Döner und Currywurst, mit und ohne Blattgold. Das große Dorf weist die höchste Dichte an Louis-Vuitton-Taschen auf und entwirft in Flingern mit Vintage-Mode den gesellschaftlichen Gegenentwurf. Außerdem gibt es überkandidelte Verkäuferinnen und tiefenentspannte Millionärsgattinnen, hier wohnen Autobauer (Mercedes), Werbeleute (Grey und Konsorten), Kreative (Künstler und Designer) und Beamte (Landesregierung und -ministerien). Düsseldorf ist ein bisschen Bonn, ein bisschen Berlin, ein bisschen Stuttgart, ein bisschen München. Und (psst, nicht weitersagen!) sogar ein bisschen Köln. Viele assoziieren Klüngel immer mit Köln: k.u.k. Dabei gibt's den in Düsseldorf ebenfalls – der Klüngel hieße hier nur besser Dlüngel.

Kritiker werfen der Stadt gerne Luxussucht und Protzerei vor und kommen dann hierher zum Einkaufen. Weil es doch so hübsch ist: die herausgeputzte Promenade (es gibt mehr Rhein als anderswo, weil der Strom sich hier in so vielen Schleifen windet), die Königsallee, die Carlstadt, der Rheinpark, der Medienhafen. Düsseldorf räumt bei Rankings, in denen die Lebensqualität bewertet wird, immer einen der vorderen Plätze ab. Dank der Schuldenfreiheit können sich die Düsseldorfer einiges leisten: freie Kindergartenplätze, gut ausgestattete Schulen und Büchereien, hübsche Spielplätze, prestigeträchtige Bauprojekte wie die U-Bahn. Dank letzterer sieht der Einwohner mit Kennzeichen D neue, tiefgründige Seiten seiner Heimat – riesige Baugruben in 3-D.

Zugegeben, Düsseldorf gibt auch Geld aus für Sachen, deren Sinn man in Frage stellen kann: An der Königsallee suchen Anlieger und Stadt seit Jahren den perfekten Rasen für den schattigen Stadt-Graben, während andere Kommunen nicht einmal Stiefmütterchen für ihre Pflanzkübel in der Fußgängerzone bezahlen können. Nicht nur, dass die Stadt sich 2006 ein WM-Stadion ohne WM leistete, für die Fortuna wurde im Vorfeld des ESC ein Ausweichstadion gebaut, weil der Sängerstreit die Arena seit Wochen blockiert. Viele sagen, das sei Größenwahn. Etwas netter formuliert: Düsseldorf ist ein generöser Gastgeber. Besonders die osteuropäischen ESC-Teilnehmer schätzen diese zwei Qualitäten und fühlen sich in Düsseldorf mit dem Kö-Bling-Bling gewiss wohl.

Außerdem härtet das Leben in Düsseldorf seine Einwohner ab für Ausflüge in die große weite Welt. Wer sich auf dem Fahrrad durch die Straßen wagt, überlebt jede Mountainbike-Tour im Himalaya. Wer sich darin übt, Rheinbahn-Bussen hinterherzurennen, erwischt bei der Jagd in Afrika Gazellen.

Die beste Lektion fürs Leben sind allerdings die Preise: Bei den Kosten für Mieten und Wohneigentum liegt Düsseldorf im bundesweiten Vergleich in der Spitzengruppe. Parken kostet nahe der Kö gerne doppelt so viel wie ein Liter Benzin. Wer das Auto hier stehen lässt, spart deshalb nicht wirklich. Hohe Preise können einen nicht schocken, auch nicht im Urlaub. Ein Beispiel von der italienischen Riviera: Als der Kellner in Portofino, dem mondänen Örtchen der Millionäre und Yachten, die Rechnung für das karge Frühstück an der Hafenpromenade präsentierte, zogen die Düsseldorfer nur leicht die Augenbraue hoch. 22 Euro für zwei Cappuccino und zwei Panini mit Prosciutto – naja, schon happig! Die Verwandtschaft aus Berlin lag da schon mit Schnappatmung unterm Tischchen. Nicht gerade sexy.

(RP)
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