Düsseldorf "Festivals sind wie ein Feuerwerk"

Düsseldorf · Christophe Slagmuylder will mit "Theater der Welt" für Avantgarde begeistern.

Er war 14 als er zum ersten Mal eine Theaterperformance besuchte, keine Worte hatte für das, was er sah, aber berührt war und sich angesprochen fühlte. "Zeitgenössisches Theater kann jeden erreichen, es ist nichts Elitäres", sagt Christophe Slagmuylder, "man muss die Leute nur neugierig machen, sie spüren lassen, dass sie willkommen und gemeint sind. Dann sind sie auch bereit, Unbekanntes anzusehen und irritierende Erfahrungen zu machen."

Slagmuylder wurde 1967 in Brüssel geboren, studierte dort Kunstgeschichte und wurde Dozent für visuelle Theorie. Mitte der 1990er Jahre fing er an, sich für darstellende Kunst zu interessieren, zunächst als Produzent, dann als Programmplaner für Künstler seiner Heimatstadt. 2002 kam er zum Kunstenfestivaldesarts in Brüssel, einem renommierten Festival für Bühnenkunst, die Grenzen zwischen Sprechtheater, Tanz und bildender Kunst hinter sich lässt. 2007 wurde er Chef dieses bedeutenden Treffpunkts der zeitgenössischen Szene. Nun hat das Internationale Theaterinstitut den Belgier berufen, das nächste Treffen "Theater der Welt" zu leiten, das 2020 Theatermacher aus der ganzen Welt nach Düsseldorf bringen wird. Dafür gibt es einen öffentlichen Etat von drei Millionen Euro, den sich Stadt, Land und Bund teilen. Weiteres Geld soll aus Einnahmen und von Sponsoren kommen.

Für Slagmuylder ist "Theater der Welt" auch deswegen spannend, weil das Festival nur alle drei Jahre in wechselnden Städten Station macht und von jeweils neuen Chefs kuratiert wird. "Ich kann also nicht auf ein Publikum bauen, das ich schon lange begleite, werde aber versuchen, mit meinem Programm Spuren zu hinterlassen." Dazu wird Slagmuylder nun ein kleines Team zusammenstellen. Durch seine Arbeit in Brüssel verfügt er über viele Kontakte in die internationale Szene, kennt aber auch Kollegen vor Ort, etwa die Leiterinnen des Tanzhaus NRW und des Forum Freies Theater in Düsseldorf, mit denen er kooperieren wird. "Ein Festival ist ein besonderer sozialer Raum, weil unterschiedliche Menschen eine kurze, intensive Zeit miteinander verbringen, live, am selben Ort", sagt Slagmuylder, "das ist, als entzünde man ein Streichholz, ein Feuerwerk, eine kleine Explosion."

Slagmuylder findet es bedenklich, dass in Europa Grenzen wieder erstarken - auch im Denken. Theater ist in seinen Augen ein Ort, der Fenster in andere Welten öffnet, Fantasie fördert. So könne Theater helfen, Grenzen zu überwinden, auch wenn es nicht direkt politisch agiere. Das Beflügelnde, Befreiende im Kunsterlebnis treibt ihn an, weniger, im Festival die eigene Handschrift sichtbar zu machen. "Ich verstehe mich als Radar", sagt Slagmuylder, "ich versuche Signale aus der zeitgenössischen Kunstszene zu empfangen, um herauszufinden, welche Themen relevant sind."

(dok)
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