Düsseldorf, Berlin, München Deutsche Theater sind Milliarden-Baustellen

Düsseldorf · Nicht nur Infrastruktur-Projekte wie Berlins Flughafen oder Stuttgarts Bahnhof sind jahrelange Dauerbaustellen - auch die Theater und Opernhäuser in den großen Städten Deutschlands reihen sich ein.

Düsseldorf Schauspielhaus: Statements von der Podiumsdiskussion
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Schauspielhaus: Statements von der Podiumsdiskussion

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Foto: Hans-Juergen Bauer

Allein die Sanierungen von Bühnen in Berlin, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Dresden und Bayreuth verschlingen Milliardenbeträge, wie eine dpa-Umfrage ergab. In manchen Fällen explodieren die Kosten, sorgen Fehlplanungen für Verzögerungen, und Ensembles müssen jahrelang auf Ersatzspielstätten ausweichen.

Der scheidende Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, hält die Sanierungen der Theater dennoch für dringend notwendig. "Ich weiß, dass es viel Geld kostet, aber es wird in Deutschland viel investiert in öffentliche Gebäude", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Bauvorhaben hätten die "klare Absicht einer echten technischen Modernisierung", sagte Bolwin. "Viele dieser Investitionen amortisieren sich, weil man feststellt, man braucht weniger Personal."

BERLIN: Die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zählt zu den größeren Berliner Baupannen der vergangenen Jahre. Statt 239 Millionen Euro wird die Renovierung am Ende wohl mehr als 400 Millionen kosten - und drei Jahre länger dauern als vorgesehen. Dafür wird das Ensemble von Intendant Jürgen Flimm und Generalmusikdirektor Daniel Barenboim ein akustisch und technisch fast perfektes Haus bekommen. Mit Beginn der nächsten Spielzeit soll die Lindenoper am 3.
Oktober 2017 wieder für das Publikum öffnen.

Dabei sollte alles anders laufen. In einem Architektenwettbewerb wurde der Entwurf für einen modernen Innenraum unter Beibehaltung der historischen Hülle auserkoren. Doch nach massiven Protesten zugunsten des Erhalts des Rokoko-Saals kippte Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Siegerentwurf, bestand aber auf dem ursprünglichen Zeitplan. Dadurch liefen Kosten und Termine aus dem Ruder, wie später ein Untersuchungsausschuss urteilte.
Verschärfend kamen die Pleite einer Planungsfirma, der Fund mittelalterlicher Baureste und die extrem marode Bausubstanz des in den 50er Jahren aus Kriegsruinen wiederaufgebauten Opernhauses hinzu.

KÖLN: Kosten in dreistelliger Millionenhöhe kommen auch auf Köln zu:
Die Sanierung der Kölner Bühnen - Opern- und Schauspielhaus - wird nach derzeitigem Stand 404 Millionen Euro kosten. 2015 war deutlich geworden, dass die Arbeiten mindestens drei Jahre länger dauern und wenigstens 100 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich geplant - anfangs waren einmal 250 Millionen Euro vorgesehen. Wie teuer die Sanierung am Ende tatsächlich wird und wann die Bühnen wiedereröffnen, könne man wohl erst im Juni 2017 belastbar einschätzen, erklärte der technische Betriebsleiter Bernd Streitberger. "Es hat hier eklatante Fehlleistungen gegeben, sowohl bei der Planung wie bei der Bauleitung der Gewerke der technischen Ausrüstung."

Streitberger listete eine 700 Punkte-Mängelliste auf. Sein Fazit:
"Das bedeutet, dass wir große Teile der technischen Ausrüstung des Gebäudes noch einmal zurückbauen und neumachen müssen."

FRANKFURT: Schauspiel und Oper, die unter einem Dach in einer Doppelanlage untergebracht sind, haben eine alte Heizungs- und Klimatechnik. Eine Generalsanierung könnte nach ersten Schätzungen bis zu fast 400 Millionen Euro kosten. Doch bevor endgültige Zahlen auf dem Tisch liegen, entbrannte im vergangenen Sommer ein heftiger Streit um die Zukunft der Städtischen Bühnen. Die Stadtspitze will einen Neubau an ganz anderer Stelle nicht ausschließen. Andere träumen sogar vom Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Schauspielhauses.

Schauspiel und Oper wollen dagegen unbedingt am angestammten Platz in der Innenstadt am Willy-Brandt-Platz bleiben. Allerdings müssen sie dann in der Zeit des Um- oder Neubaus in andere Quartiere ausweichen.
Jetzt soll ein Gutachten zum Sanierungsbedarf abgewartet werden.

STUTTGART: Nach der umfassenden Sanierung des 50 Jahre alten Schauspielhauses im Stuttgarter Schlossgarten für 40 Millionen Euro steht der dicke Brocken noch bevor: die Generalsanierung des benachbarten, 100 Jahre alten Opernhauses. Geschätzt 400 Millionen Euro wollen Land und Stadt in die Hand nehmen. Aktuell läuft die Suche nach einer Ersatzspielstätte, weil das Opernhaus mehrere Jahre geschlossen werden muss. Die Württembergischen Staatstheater gelten als das weltweit größte Dreispartenhaus. Die Erweiterung der Oper im Schlossgarten soll nach 2025 abgeschlossen sein.

DÜSSELDORF: Seit Anfang 2016 ist das Düsseldorfer Schauspielhaus wegen Sanierung im Gebäude und einer angrenzenden Großbaustelle (Kö-Bogen II) geschlossen - und keiner weiß genau, wann es wiedereröffnet wird. Dem neuen Intendanten Wilfried Schulz wurde nur scheibchenweise offenbart, dass der 60er-Jahre-Bau über mehrere Jahre dicht bleibt. Schulz vagabundiert mit seiner Truppe durch Ersatzspielstätten in der Stadt. Frühestens im Herbst 2018 dürfte das Haus wiedereröffnet werden, so die derzeitige Prognose. Schulz stellt klar: "Ich bin nicht bereit, später ins Haus zu gehen."

Doch auch in Düsseldorf wird die Sanierung immer teurer. Rund 58 Millionen Euro haben Stadt und Land schon investiert. Erst kürzlich gaben sie wieder Millionenspritzen frei. Fassaden- und Dacherneuerung werden noch einmal mindestens 20 Millionen Euro verschlingen. Dann zettelte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) auch noch eine Debatte an, ob man das Schauspielhaus überhaupt noch in dieser Form brauche.
Wütende Proteste schlugen ihm entgegen.

MÜNCHEN: Das Gärtnerplatztheater wird bereit seit 2012 saniert - auch so eine Dauerbaustelle, deren Ende nicht wirklich absehbar ist. Eigentlich sollte es zur Feier des 150-jährigen Bestehens Ende 2015 fertig sein. Die Eröffnung wurde jedoch bereits zweimal verschoben. Der Grund ist nach Behördenangaben der "hochkomplexe Ausbau". Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs soll voraussichtlich erst im Oktober 2017 möglich sein. In der vergangenen Saison musste das Theater deshalb auf diverse Ersatzspielstätten ausweichen. Teurer als geplant wird die Sanierung auch: 96 statt 77 Millionen Euro wurden zuletzt veranschlagt.

DRESDEN: Licht im Osten: Dresden bekommt gerade sechs moderne Bühnen, was in Zeiten knapper kommunaler Kassen fast an ein Wunder grenzt. Kürzlich öffnete in der sächsischen Landeshauptstadt eine fast 100 Millionen Euro teure neue Kulturstätte ihre Türen. Das frühere Kraftwerk Mitte wird ein Musentempel für die Staatsoperette und das Theater Junge Generation (TJG) - Deutschlands größtes Kinder- und Jugendtheater mit gleich drei Spielstätten. Parallel dazu wurde der zu DDR-Zeiten eröffnete Kulturpalast in der City für fast 90 Millionen Euro umgebaut. Dort entsteht unter anderem ein erstklassiger Saal für die Philharmonie. Die Eröffnung ist für April 2017 geplant.

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) sagte: "Die Stadt musste handeln." Tatsächlich waren die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Häuser am Stadtrand unter schlechten Bedingungen lange zum Improvisieren gezwungen. Im Kulturpalast lief 2012 die Betriebsgenehmigung aus, schon zuvor war der Bau wegen Brandschutzmängeln einmal geschlossen worden.

BAYREUTH: Das berühmte Opernhaus in Bayreuth stammt aus dem 19.
Jahrhundert und muss umfassend saniert werden. 30 Millionen Euro sind dafür bisher einkalkuliert. Unklar ist, ob es dabei bleibt. Der zeitliche Rahmen wird auf jeden Fall gesprengt. Ursprünglich rechneten die Wagner-Festspiele damit, dass die Arbeiten acht Jahre bis 2023 dauern. Nun aber sollen sie erst bis 2026 abgeschlossen sein. Als erster Abschnitt war die Hauptfassade des Festspielhauses für knapp 2,5 Millionen Euro erneuert worden. Doch die zweite Sanierungsphase verzögert sich und soll 2018 abgeschlossen sein.

Allerdings droht die gesamte Sanierung komplizierter zu werden als gedacht. Denn die baulichen Mängel betreffen alle Gewerke, stellte sich heraus. Man müsse aber davon ausgehen, dass die bisherige Finanzierungsvereinbarung nicht aufrecht erhalten werden könne, teilten die Festspiele mit.

(felt/dpa)
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