Düsseldorf Drogenskandal am dänischen Nationalballett

Düsseldorf · Der Fall sorgt für Aufsehen, denn er betrifft eines der ältesten und renommiertesten Ensembles Europas – das Königlich Dänische Ballett in Kopenhagen. Dessen Direktor, Nikolaj Hübbe, und zahlreiche seiner Tänzer sollen seit Jahren Kokain konsumieren. Das ist nicht nur Flurgeflüster. Das Theater hat eine interne Studie zu den Arbeitsbedingungen im Haus in Auftrag gegeben. Bei den Recherchen zu dieser Studie, die der dänischen Tageszeitung "Jyllands-Posten" zugespielt wurde, berichteten zahlreiche Ensemblemitglieder unter dem Schutz der Anonymität vom Drogenkonsum in den eigenen Reihen. Dabei mögen gekränkte Eitelkeiten eine Rolle gespielt haben, doch schreiben eben mehrere Compagniemitglieder das cholerische Auftreten ihres Ballettchefs dessen Konsum psychedelischer Mittel zu, auch soll er Stoff an Nachwuchstänzer weitergegeben haben.

Mit diesem Skandal in Kopenhagen wird erstmals anhand eines prominenten Falls öffentlich über die Suchtgefährdung von Tänzern diskutiert. Natürlich ist es wenig überraschend, dass Menschen, die sowohl körperlich wie mental Hochleistungen vollbringen, zu Drogen greifen. Filme wie der oscarprämierte "Black Swan" führen die thrillerreife Psychobelastung von Tänzern vor. Doch ist das Problem keine Fiktion. "Schon junge Tänzer trainieren sich in der Ausbildung eine hohe Schmerztoleranz an, dabei sind Schmerzen natürliche Warnsignale des Körpers", sagt Elisabeth Exner-Grave, Leiterin des Kompetenzzentrums Tanz-Medizin im Gelsenkirchener Gesundheitszentrum Medicos.AufSchalke, mit dem etwa das Deutsche Ballett am Rhein zusammenarbeitet. Um körperliche Höchstleistungen trotz Schmerzen zu erbringen, greifen manche Tänzer dann zu Schmerzmitteln. "Für sie ist Tanz kein Beruf, sondern eine Berufung, und dann gehen die Rollen eben vor."

Allerdings stellt Orthopädin Exner-Grave fest, dass das Gesundheitsbewusstsein unter Tänzern zunimmt. "Sie werfen nicht wahllos Schmerzmittel ein, sie wissen ja, dass ihr Körper ihr Kapital ist. Die Zahl der Raucher unter Tänzern etwa geht deutlich zurück." Zusammen mit anderen Experten hat Exner-Grave den Verein "Tanzmedizin Deutschland" gegründet, um Aufklärung zu betreiben. Ein erster Schritt, meint die Medizinerin, um Missbrauch von Medikamenten oder Drogen zu verhindern.

(RP)
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