Weltstar Loco Dice Der DJ mit dem HipHop-Gen

Der Weltstar legt nächste Woche in seiner Heimatstadt Düsseldorf auf. Ein Gespräch über den Nachtleben-Jetset und 100.000-Euro-Spitzengagen.

DJ Loco Dice legt beim Connect-Festival 2018 in Düsseldorf - der DJ mit dem HipHop-Gen
Foto: Tonight.de/Ninu und Savo Dramis

Ein Hinterhof in Düsseldorf-Unterbilk nahe dem Medienhafen. Hier ist das Hauptquartier von Loco Dice: im ersten Stock Konferenzräume und Computer, im Erdgeschoss das Studio. Der 44-Jährige gehört zu den Top-Stars der internationalen DJ-Elite. Er legt auf, produziert eigene Stücke, führt das Plattenlabel Desolat. Der Sohn tunesischer Einwanderer wurde in Düsseldorf unter dem Namen Yassine Ben Achour geboren, wuchs in Flingern auf und begann als Rapper. Er arbeitete mit Usher, Jamiroquai und Snoop Dogg und begann schließlich, sich für Techno und House zu interessieren. Am Samstag, 13. Oktober, legt er beim neuen Connect-Festival in der Messe auf.

Welches ist das größte HipHop-Album aller Zeiten?

Loco Dice „The Chronic“ von Dr. Dre. Das ist genau mein Ding, Funk und HipHop zusammen. Dazu diese Hood-Language! Aber man kann nicht nur eine Platte nennen. Da sind noch Notorious B.I.G., Public Enemy und Ice T. Zur Zeit ist Travis Scott der Größte. Genial, was der Typ macht. HipHop ist im Moment eh sehr toll: Kendrick Lamar, Childish Gambino, J. Cole, Schoolboy Q. Und: Eminem ist wieder da!

Beim Connect sind Sie für die Zeit von 4 bis 6 Uhr morgens gebucht. Was macht ein DJ eigentlich tagsüber?

Loco Dice Ich hab einen stark durchgetakteten Tagesablauf, das hilft mir sehr. Es fängt morgens mit Sport an, dann komme ich hier hin und bespreche mich oben im Büro. Management-Sachen: Wie war der Auftritt am Wochenende? Welche Ideen habe ich? Und natürlich, was privat so anliegt, was geregelt werden muss. Dann kümmere ich mich eine Stunde lang um Desolat. Das meiste passiert da allerdings am Wochenende, da höre ich mir unterwegs Demos an und kommuniziere mit den Künstlern.

Sie arbeiten dann unterwegs, also vor allem im Flugzeug?

Loco Dice Ja, da höre ich Demos und Promos. Aber nur, bis der Akku des Laptops platt ist. Dann versuche ich, einen Film zu gucken oder zu schlafen.

Wie geht Ihr Tag weiter?

Loco Dice Wenn ich mich entschließe, ein Stück zu veröffentlichen oder einen Künstler unter Vertrag zu nehmen, setze ich mich mit Vladimir Ivkovic, meinem Labelmanager, hin und bespreche den Releaseplan. Ich übergebe dann an ihn.

Wann gehen Sie ins Studio?

Loco Dice Jeden Tag nach dem Mittagessen. Ich kreiere die Ideen, und wenn sich was ergibt, geht das bis acht, neun Uhr abends. Dann lasse ich es liegen, und am nächsten Tag werkelt der Engineer morgens schon an den Sounds und macht das alles gerade. Mittags komme ich wieder runter und höre mich noch mal rein, verändere etwas, mache das Arrangement. Wenn ich happy bin, packt er es in eine Datei schickt sie mir, und ich kann sie am Wochenende ausprobieren. Wenn ich dann merke, dass noch was verändert werden muss, mache ich das danach. Der Engineer schickt das Stück dann ans Mastering, und ich überlege, ob das Stück auf einem anderen Label gut untergebracht ist, oder ob ich es selbst auf meinem eigenen Label Desolat veröffentliche.

Sie arbeiten schnell, oder?

Loco Dice Ich bin nicht der Typ, der erstmal rumprobiert. Ich bin nicht so der Soundtüftler. Das ist das HipHop-Gen in mir. Ich habe einen Film im Kopf, den produziere ich, fertig. So ist meine Lebensweise. In der elektronischen Musik sitzen die Leute manchmal vor einer riesigen Modularwand und experimentieren tagelang rum. Das ist auch cool, aber das bin nicht ich.

Womit machen Sie Musik?

Loco Dice Ich arbeite am Rechner mit dem Programm Ableton, und ich benutze den Mini Moog Voyager für die richtig fetten Basslines. Ansonsten habe ich zwar viel teure Kult-Hardware im Studio wie die 808 oder die 101 oder den Juno 106 oder die Polysix. Das sind alles Namen, die die Herzen von Analog-Experten höher schlagen lassen. Aber ich arbeite damit nicht mehr. Heutzutage gibt es tolle Software Lösungen, die gut klingen und zuverlässig sind. Wenn ich bestimmte Sounds haben will, kann ich mit der Software schneller ans Ziel kommen, was bei meinem Arbeitspensum und meiner Herangehensweise an die Musik sehr wichtig ist.

Wie viele Leute arbeiten für Sie?

Loco Dice Sechs Leute hier in Düsseldorf, und in Berlin ein richtig großer Haufen. In Berlin ist die Künstleragentur. Früher war das Artist Alife, die Bookingagentur, die ich mit Tom Preuss gegründet habe. Da habe ich noch selbst Künstler gemanagt. Wir haben uns mit Freunden aus Frankfurt zusammengetan, mit meinem DJ-Kollegen Chris Liebing. Chris und ich haben uns dann aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.

Es ist schwierig, Ihren Stil zu beschreiben.

Loco Dice Ich habe das Glück, dass ich sehr vielseitig bin. Das ist manchmal allerdings auch ein Fluch, weil die Leute dann fragen, warum spielst du denn heute keinen Techno und kein House. Das verstehen die nicht. Aber ich denke nicht in Kategorien. Musik ist Freiheit, und diese Freiheit nehme ich mir. Das hat mich bis hierher gebracht.

Sie haben zuletzt Moby remixt. Wie kam es dazu?

Loco Dice Ich nehme nicht so viele Remixaufträge an. Meistens habe ich Freunde remixt. Kevin Saunderson, Richie Hawtin oder Carl Cox. Und dann gibt es Stücke von unbekannten Interpreten, die toll sind, bei denen ich aber meine, ich kann ihnen noch einen bestimmten Twist geben. Zuletzt habe ich einige große Sachen gemacht, zum Beispiel Disclosure remixt und, genau, „Go“ von Moby. Moby hatte schon seit Jahren versucht, etwas mit uns zu machen. Der Deal war nun: Ich remixe dich, ich verdiene nichts dabei, und deshalb will ich es auf meinem Label veröffentlichen, also musst Du mir die Rechte an dem Stück geben. Das hat er getan, und nun ist es auf Desloat erschienen. Sowas macht einen alten Künstler natürlich noch mal fresh.

Gibt es Freundschaften unter den Top-DJs?

Loco Dice Ja. Die meisten Jungs sehe ich öfter als meine echten Freunde; jedes Wochenende und in Extremsituationen: ohne Schlaf, hungrig, mit Riesen-Druck. Mit Richie Hawtin habe ich mal eine Bustour durch Amerika gemacht, um College-Kids zu guter Musik zu überreden. Sowas verbindet. Er ist mein Freund. Und wenn ich mal in L. A. bin, ist es klar, dass man dann zusammen abhängt.

Ist das DJ-Geschäft härter geworden?

Loco Dice Auf jeden Fall. Viel Ellbogen, viel Druck. Klar, bei Honoraren von 1000 bis 100.000 Euro für zwei Stunden Auflegen.

100.000 für einen Künstler?

Loco Dice Die ganz Großen wie David Guetta kriegen so viel. Aber man hat ja auch Kosten: Die Show muss perfekt sein. Ich mag nicht einfach kommen, und irgendjemand macht Visuals, die mir nicht gefallen. Ich habe dafür meinen eigenen Mann, der kommt aus Portugal angereist. Außerdem jemanden für den Sound, meinen Tourmanager, Assistentin. Da ist schon die halbe Gage weg. Manchmal sind wir zehn Leute. Ich bekomme das Honorar und zahle wiederum deren Honorare und Flüge.

Wie viele Auftritte haben Sie?

Loco Dice Ich gucke inzwischen, dass ich viel bei meiner Familie bin. Trotzdem komme ich auf 120 bis 130 Gigs, im Sommer manchmal drei pro Tag.

Wie entspannen Sie sich?

Loco Dice Ich bin super hibbelig, aber ich versuche, nicht mehr bloß Vollgas zu geben. Ich mache Muay Thai. Thaiboxen. Wenn ich ein Freedate in Dubai, Kolumbien oder irgendwo in der Welt habe, buche ich einen Trainer. Ich arbeite mit den größten Champions. Ich schreibe denen ein paar Wochen vorher und mache das Training klar. Ich lebe sehr gesund. Ich trinke wenig Alkohol. Muay Thai hat mein Leben verändert. Ich bin stärker geworden, bin nicht mehr krank, ich überstehe die Nächte. Immer im Februar fliege ich mit Freunden nach Thailand, und dann gehen wir ins Camp. Kein Telefon, kein gar nichts. Nur Training. Danach bin ich fit für den Sommer.

Sie setzen nicht nur auf Musik.

Loco Dice Ich mache viel mit Mode. Ich kollaboriere hier und da mit ein paar Lifestyle-Brands aus verschiedenen Segmenten, etwa mit Daily Paper, einem Modelabel aus Holland. Mein Merchandising läuft auch sehr gut, die Kids lieben das. Die Musik braucht ein Gesicht, das habe ich früh begriffen. Musik wird gestreamt, das heißt, die Musik ist ein Geist. Du musst also überlegen, wie du sie an den Mann bringst. Und dann denke ich mir für ein neues Album cooles Merchandising an. So kommen die Leute eben über die Klamotten zu meiner Musik. Auch zu den Schallplatten, die wir mit Desolat immer noch veröffentlichen, denn viele wissen gar nicht, dass es so etwas noch gibt. Aber das sind eben die Objekte für die Ewigkeit.

Wieso leben Sie immer noch in Düsseldorf?

Loco Dice Ich habe in Rotterdam gelebt, in New York und auf Ibiza. Aber in Düsseldorf bin ich der, der ich sein will. Man sieht sich, man grüßt sich: Kraftwerk, Farid, Andi von den Toten Hosen, Gursky, viele Freunde aus meiner Jugend. Läuft alles.

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