Was der neue Streamingdienst kann Disney+ startet in Deutschland – und bringt Baby-Yoda mit

Konkurrenz für Netflix und Co.: Die Streaming-Plattform des Unterhaltungsriesen gibt es ab diesem Dienstag auch hierzulande. Viele Klassiker sind dort exklusiv zu sehen. Außerdem die neue „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“.

 In den USA bereits ein Internet-Liebling: der Baby-Yoda aus der Serie „The Mandalorian“.

In den USA bereits ein Internet-Liebling: der Baby-Yoda aus der Serie „The Mandalorian“.

Foto: obs/ProSieben

Männer und ihre Helme – das ist im „Star Wars“-Universum ein komplexes Abhängigkeitsverhältnis. Man denke nur an den guten, alten Darth Vader, der sich schwer atmend und mit elektronisch verzerrter Stimme unter Maske und Kopfschutz versteckte, ohne dessen Hochtechnologie er nicht überlebensfähig war. Als er in Episode sechs schließlich seinen Sohn bittet, ihm den Helm abzunehmen, um ihn mit eigenen Augen ansehen zu können, gehört das zu den rührendsten Momenten seines Daseins als Bösewicht.

Auch der namenlose Held der neuen „Star Wars“-Serie „Mandalorian“, die nun exklusiv auf der neuen Streaming-Plattform Disney+ zu sehen ist, scheint ein libidinöses Verhältnis zu seinem stählernen Ganzkopfschutz zu haben. Strikt weigert er sich, sein Gesicht zu zeigen, und für die Fan-Basis lautet die spannende Leitfrage schon jetzt: „Wann zieht der Mann endlich seinen Helm aus?“ Man darf sicher sein, dass die Gesichtserkennung des Protagonisten noch über mehrere Episoden oder gar Staffeln hinausgezögert wird, um die Aura des Geheimnisvollen zu bewahren. Denn die „Star Wars“-Serie ist der wichtigste Lockstoff, mit dem Disney+ die Zuschauer für seinen neuen, hauseigenen Streaming-Dienst rekrutieren will.

Vor acht Jahren hatte der Konzern für 4,05 Milliarden Dollar die Firma Lucasfilm und damit alle Rechte am „Star Wars“-Imperium erworben. Mit einer neuen Trilogie und den beiden Spin-Offs „Rogue One“ und „Solo“ wurde das lukrative Franchise-Unternehmen erweitert und spielte insgesamt fast sechs Milliarden Dollar in die Firmenkasse. Nun setzt man folgerichtig auf das beliebte Serien-Format. Regisseur Jon Favreau („Iron Man“ / „König der Löwen“) hat die Handlung auf dem komplexen „Star Wars“-Zeitstrahl nach „Die Rückkehr der Jedi Ritter“ und vor „Die Macht erwacht“ im Niemandsland zwischen zwei Trilogien angesiedelt. So sieht auch das Setting der ersten Folgen aus, in denen sich der behelmte Kopfgeldjäger – von den Fans schon zärtlich Mando genannt – allein durch besonders karge Winkel der Galaxie arbeitet.

Im Herzen ist „The Mandalorian“ eigentlich ein Western. Die Motive des Genres sind hier allgegenwärtig. Ausgehend von einem klassischen Saloon-Auftritt, mit dem der Held eine Überzahl trunksüchtiger Gesellen kaltstellt, über eine wilde Schießerei, bei der die Gangster malerisch von den Dächern heruntergeschossen werden, bis hin zu dem von Nick Nolte gespielten zerknautschten Farmer Kuii, der in feinster Indianer-Diktion seine Ausführungen mit „Ich habe gesprochen“ beendet. Sprechen an sich gehört nicht zu den Kernkompetenzen des Kopfgeldjägers, der vom dubiosen Vorstand der Gilde (Werner Herzog) den Auftrag bekommt, eine besonders wertvolle Zielperson einzufangen.

Am Ende der gefechtsreichen, aber handlungsarmen 40 Filmminuten, zieht die erste Episode doch noch ein As aus dem Ärmel: ein kleiner süßer Baby-Yoda lugt aus der Metallwiege und streckt dem Behelmten wie einst E.T. den Finger entgegen. Das kleine, grüne Wesen mit den langen, spitzen Ohren hat sich in den USA, wo die Serie bereits im November startete, schon längst zum oft geteilten Internet-Liebling gemausert. Man darf gespannt sein, welche Beziehungsdynamik sich dort zwischen dem eiskalten Kopfgeldjäger und dem Knuddel-Yoda entwickeln wird und ob die Serie auch in Deutschland als Zugpferd für den neuen Streaming-Dienst funktioniert.

Schon vor der Corona-Krise herrschte auf dem digitalen Entertainment-Markt ein unerbittlicher Konkurrenzkampf. Die Zeiten, in denen sich die beiden Platzhirsche „Amazon Prime“ und „Netflix“ den Kuchen mehr oder weniger alleine aufteilten, sind nun endgültig vorbei. Denn Disney+ will die Spielregeln neu bestimmen. Die Produktionen des machtvollen Konzerns sollen bald ausschließlich auf der hauseigenen Plattform zu sehen sein. Disney hat sich in den vergangenen 15 Jahren mit einer offensiven Übernahmepolitik ein Konkurrenzunternehmen nach dem anderen einverleibt: Pixar, Marvel, Lucasfilm und zuletzt auch noch die traditionsreichen 20th Century Fox, womit Filme wie „Avatar“ mit ins Portfolio aufgenommen werden konnten.

Das alles ergibt einen riesigen und lukrativen Content, auf den in Zukunft nach Auslaufen bestehender Verträge Disney+ das Streaming-Monopol haben wird. Der Konzern kalkuliert bis 2024 weltweit mit 60 bis 90 Millionen Kunden. Da ist der Corona-Effekt noch nicht mit einberechnet. In Deutschland startet Disney+ am Dienstag mit über 500 Filmen, mehr als 350 Serien und 25 Originalfilmen. Das Abo kostet 6,90 monatlich oder 69 Euro für ein Jahr. Damit liegt der Preis unter der Netflix-Flatrate. Normalerweise heißt es in der freien Marktwirtschaft ja, dass Konkurrenz das Geschäft belebt und die Konsumenten aus dem Wettkampf den Nutzen ziehen. Aber in diesem Fall könnte es anders kommen: Filmfans müssen sich wohl in Zukunft daran gewöhnen, dass sie für mehrere Streaming-Dienste zahlen müssen oder sich im monatlichen Rotationsverfahren ein sorgfältig geplantes Plattform-Hopping zu eigen machen.

Denn es sieht so aus, als würde Disneys Abkapselungsstrategie Schule machen. Der US-Medienkonzern „Warner“ hat ebenfalls schon eine eigene Plattform angekündigt und zum umfangreichen Eigenbestand beim Qualitätssender HBO Serien wie „Game of Thrones“ und „Sopranos“ eingekauft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort