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London Dirigent Colin Davis starb 85-jährig

London · Der englische Künstler war international hoch begehrt. Er hatte eine wunderbare Art, Dinge mit Vorsatz zu zelebrieren. Er war ein großartiger Koch, der stundenlang am Herd stand, bevor die Gäste sein Heim betraten. In der Musik widmete er sich vorzugsweise Werken, die der Hingabe bedürfen, der Versenkung, des zelebrierten langen Atems; er hasste die Philosophie der Nonchalance. Auch für den Augenblick seines Hingangs hatte er hehre Prinzipien. Er wollte unbedingt, dass dieser Tod in Dresden oder London eintrete.

Auch dieser Wunsch ist dem großen Dirigenten Colin Davis in Erfüllung gegangen. Er ist jetzt im Alter von 85 Jahren in London gestorben, und es ist das große England, dass diesen Tod mit dem Gefühl noch größerer Dankbarkeit beweinen wird. Denn Davis war nicht nur ein Lordsiegelbewahrer britischer Musiziertugenden wie Empathie, Akkuratesse und Genauigkeit. Er hat auch sein dirigentisches Repertoire stets landsmannschaftlich unterfüttert, ohne dass man ihm den Vorwurf hätte machen können, er betreibe billige Patronage.

Diese Kompetenz zahlte sich für Benjamin Britten und Michael Tippett aus, zwei Meister der Insel, denen sich Davis mit offensiver Liebe und Gründlichkeit gewidmet hat. Die Opern Brittens atmen unter Davis mehr als nur altmeisterliche Kompetenz: Davis gelingt es immer, das Phänomen des Mysteriösen, Ungreifbaren und Schicksalhaften in tönende Sprache zu übersetzen.

Vor allem aber wird London trauern, weil Davis der Inbegriff des Londoner Dirigenten war. Schon im Jahr 1959 hat der studierte Klarinettist Davis erstmals das London Symphony Orchestra dirigiert, bevor er erst 1995 dessen Chef wurde. Zuvor stand er in Führungspositionen beim BBC Orchestra und im Opernhaus Covent Garden. Außerdem war er seit 1991 Ehrendirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, was ein besonderes Pfund ist, denn Davis war nie Chef des Orchesters.

In seiner Zeit beim London Symphony Orchestra hat Davis übrigens die Zeichen der Zeit verstanden und ist mit dem Orchester, das seine eigene Plattenfirma wurde, konsequent den Weg zur medialen Vervielfältigung von Live-Mitschnitten gegangen. So entstanden bannende Aufnahmen, zuletzt noch diejenige von Hector Berlioz' "Requiem". Die Wiederentdeckung des Gesamtwerkes dieses französischen Komponisten ist untrennbar mit Colin Davis' Namen verbunden. In den 60er und 70er Jahren spielte der Dirigent für Philips einen Zyklus mit Berlioz-Werken ein, der noch heute höchste Maßstäbe setzt. Davis' Art, etwa beim "Requiem" die Massen zu führen, hatte etwas von musikalischer Feldmarschallerei.

Und als leidenschaftliche Radiohörer können wir nicht vergessen, dass Davis äußerst fruchtbare Jahre beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München hatte. Mit seinem Vorgänger Rafael Kubelik hat er dem famosen Ensemble wegweisende Impulse gegeben, wobei die Intensität seines Wirkens hier auch in der Erziehung zu perfektem Klang, homogener Staffelung der Gruppen und Verbindlichkeit in der Artikulation lag. Dies alles zeigte sich in Davis' immer noch großartiger und beherzigenswerter Aufnahme von Richard Wagners Oper "Lohengrin", die überdies in dem Tenor Ben Heppner einen der besten Lohengrine aller Zeiten aufbietet.

London wird für Sir Colin jetzt ein würdiges Pontifikalamt zelebrieren. Ein trauriger Nachteil ist, dass er es nicht selbst dirigieren kann.

(RP/gre)
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