Düsseldorf Digitaler Höhenflug: das neue Album von Björk

Düsseldorf · Die isländische Sängerin Björk veröffentlicht morgen ein neues Album. Für Musikhörer, die Ende der 80er Jahre empfänglich waren für larmoyante Gitarrenkompositionen, ist das eine Nachricht, die noch nach so langer Zeit hoffen lässt. Björk sang damals mit ihrer Band Sugarcubes Lieder wie "Birthday", und wer sie hörte, wollte seufzen. Weltveränderungssongs waren das – wenn man "Welt" nicht allzu weit fasst, jedenfalls.

Solche Stücke gibt es auf "Biophilia" leider nicht. "Human Behaviour" (1993) und "All Is Full Of Love" (1999) waren die letzten Songs von Björk, die etwas Ergreifendes hatten. Vielleicht ist der 45-Jährigen der Sinn für das Einfache und Rührende verlorengegangen. Womöglich hat sie aber einfach keine Lust mehr darauf.

"Biophilia" erscheint zwar auch als CD mit zehn Stücken. Gedacht ist das Ganze aber als Multimedia-Installation: Zu jedem Stück gibt es eine App für je 1,59 Euro als Download. Man kann sich lange mit den Apps beschäftigen, ihr durchgängiges Thema ist die Entstehung des Lebens und die Verbindung von Kosmos und Musik. Ein weites Feld, das Raum lässt für eine Rede von Sir Richard Attenborough, für eigene Versuche, die Musik von Björk zu remixen und für Einblicke in die Produktion. Björk begreift das Material als DNA, und jeder User möge Schöpfer spielen, wenn er wolle, sie liefere gerne zu.

Das ist ambitioniert, alles sieht beseelt aus, und sich durchzuklicken und da drüberzuwischen ist ein schöner Zeitvertreib. Aber eigentlich wollte man bloß Musik hören. Björk, die bei Lars von Trier in dem Film "Dancer In The Dark" schauspielerte, sich in den Konzeptkünstler Matthew Barney verliebte und mit Produzenten aus dem Bereich der elektronischen Avantgarde zusammenarbeitet, macht es einem nicht leicht. Die letzten Alben waren eher Kunstobjekte als Soundtracks fürs Leben. Vertrackt, aber egal vertrackt. Wenig aufregend und anstrengend.

Ein bisschen so ist es auch mit "Biophilia": "Crystalline" ist schön, "Sacrifice" auch. Dem Rest hört man an, dass Björk ihm nicht zutraut, die Hauptrolle zu spielen. Sphärenklang, gebrochene Beats, Björks Stimme streicht darüber. Diese Lieder wirken nur in größerem Kontext, als Begleitung auf digitalen Höhenflügen, als akustischer Reiz für den Vorgang des Tastens und Schauens auf dem iPad.

Man wartet also weiter, aber die Hoffnung wird schwächer. Björk lebt und denkt inzwischen irgendwo jenseits des Sirius, auf einer anderen Umlaufbahn, nicht mehr auf dieser Welt. Und doch ist es schön, sie alle paar Jahre wiederzusehen.

(RP)
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