Düsseldorf Die wollen nur spielen

Düsseldorf · Das Shakespeare-Spektakel "The Queen's Men" stieß im Düsseldorfer Schauspielzelt auf Begeisterung beim Publikum.

Mitten im Stück hängen Männer ein Banner auf. "Theaterzelt günstig abzugeben" steht darauf. Doch das ist nur ein Scherz. Ein Spiel im Spiel von Hamletschen Dimensionen. "Sein oder Nichtsein" fällt als meistzitierter Satz in der dritten Premiere der neuen Schauspielsaison von Düsseldorf. Mit "The Queen's Men" geht es zurück in shakespearesche Theaterzeiten. Wie das hohe C im F-Dur-Dreiklang schwebt diese Uraufführung grell und hoch oben über dem Theaterboden. So wenig Geschichte es gibt, so viel vermeintliche Improvisation darf sein. Erlaubt ist, was gefällt. Die brillanten Schauspieler, elf an der Zahl plus zwei Musiker, wollen nur spielen. Das Zelt ist wahrscheinlich dran Schuld mit seiner Zirkus-Atmosphäre, wenige Meter dahinter fließt der große Strom, von draußen dringt immer wieder ein "Tatü Tata" ins Halbrund.

Immerhin, nach mehr als drei Stunden ist das Publikum noch immer aus dem Häuschen. Es folgt den Sketchen, dem launigen Spiel, den Fechtkämpfen, der Musik mit Dudelsack, Trommel und Tin Whistle. Es gibt am Ende sogar Zugaben. Das Theater hat, so scheint es, den Nerv der Zeit getroffen, indem es sich selbst zum Thema und mit seinen eigenen Mitteln - oft deftig und übertrieben - in Szene setzt.

Es geht über all die Stunden rein und raus ins Kostüm, mit unvermuteten Wechseln. Auch in die nächste Szene, dann rein und wieder raus aus ein und demselben Stück und seinem Handlungszusammenhang. Mal scheint sich diese erzählende, von Musik animierte Revue zum Singspiel oder Musical zu wenden, dann wieder wird der dramaturgische Rahmen aufgebrochen, um tagesaktuelle düsseldorf-spezifische Bemerkungen fallenzulassen. "Sein oder Nichtsein" meint natürlich hier das Theater der Landeshauptstadt, für das dieses Stück maßangefertigt wurde. "Theater ist eine moralische Anstalt", wird einmal deklamiert. Oder: "Theater ist ein Spiegel der Gesellschaft", auch "Theater ist Behauptung".

Man hört aus diesen Sätzen den Intendanten Wilfried Schulz heraus, der so sprach, auch weil er seit mehr als einem Jahr existenziell um den Rang und Stellenwert des Hauses kämpfen musste. Was wäre besser geeignet als eine Komödie, um das düstere lokalpolitische Drama zu verpacken? Die Uraufführung von "The Queen's Men" schrieb Peter Jordan als Auftragswerk, es ist das erste Bühnenstück des Dortmunder Schauspielers, bei dem er gemeinsam mit Leo Koppelmann Regie führt. Ihm ist kein anspruchsvolles literarisches Werk gelungen. Nicht einmal das Genre lässt sich genau benennen, wenn auch am Ende eine Art Komödie dabei herausgekommen ist.

Pumphosen und Perücken tragen die Schauspieler, die am Premierenvorabend proben. Das shakespearsche Personal ist in Fülle vertreten, der Narr, der Krüppel, ein drolliger Holländer und der Kopf der Truppe, Shaunessy (Moritz Führmann). Dazu konkurriert eine Truppe um Anführer Federico (Jan Maak). Die titelgebende Königin gibt es auch, die Elisabeth heißt und beschließt, sich einmal als Clown unter die Schauspieler zu mischen, um ihr Volk besser kennenzulernen. So kommt sie in den Tower und fast um. Ein ziemlich bunt gemischtes Durcheinander ist es mit "Viel Lärm um nichts" auf der Bühne. Dabei scheint die Intention "Wie es euch gefällt"zu lauten oder "Was ihr wollt". Ist es Lustspiel, Tragikomödie, Singspiel oder gar Musical? Im Format unentschieden entpuppt sich das zu losen Szenen aneinandergereihte Konstrukt.

Das stört niemanden, es ist das ansteckende fabelhafte Ensemble-Spiel, das die Menschen im Zelt begeistert. Wie die Männer und die eine Frau lebendig, närrisch, versessen und verrückt dem Volk Shakespeare-Happen zuwerfen: Als Anführer Shaunessy sich in die Königin verliebt, landen wir bei Romeo und Julia mit Balkon und Lerchen-Zitat.

Drei Stunden und zwanzig Minuten auf recht harten Sitzen sind eine lange Zeit, darin nur eine Pause. Die Musik ist nicht viel mehr als eine unterhaltsame Einlage - das hätte man besser, origineller, anspruchsvoller neu komponieren können. Ein musikalischer Höhepunkt ist der Vortrag von "Queen" Hanna Werth, die einmal sehr inniglich das alte Volkslied Greensleeves vorträgt. Die Güte ihrer Stimme und ihr clowneskes Spiel ragen heraus.

Großartige Einzelleistungen gibt es viele wie von Wolfgang Reinbacher und Moritz Führmann, von Jan Maak, Yascha Finn (Holländer) und Serkan Kaya. Tatsächlich hat das Regieteam die Spieler wie Puppen aufgedreht und zu Höchstleistungen animieren können. Das ist Theater, das im Spiel Widerstand und Wucht gegen die Obrigkeit entfalten kann. Selbst das Happy End wird durch theatralische Finten herbeigeführt.

Dass das Theater zu allen Zeiten bedroht ist, weil es der Staatsmacht die Wahrheit vorführt, hat sich seit Shakespeare nicht geändert. Im Stück heißt es "Eine Welt ohne Theater ist wie eine Welt ohne Theater". Es wäre eine arme Welt.

(RP)
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