Uraufführung in Oberhausen Hitlers umstrittene Lieblingsregisseurin
Oberhausen · Oberhausens neue Intendantin Kathrin Mädler bringt John von Düffels neues Stück über Leni Riefenstahl zur Uraufführung. Die Filmemacherin und Hitler verband gegenseitige Faszination.
Die jüngste Uraufführung im Reigen neuer Dramatik am Theater Oberhausen, die die Intendantin Kathrin Mädler am Wochenende zur Premiere brachte, heißt „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl“ und im Untertitel „inszeniert von ihr selbst“. Nun ist Leni Riefenstahl, die umstrittenste unter den deutschen Film-Regisseurinnen mit internationaler Ausstrahlung, zwar 101 Jahre alt geworden – aber eben nicht 121. Der Untertitel zeigt also an, dass das Stück sich zumindest mit der Wahrheit auseinandersetzen möchte, die die von Hitler und Goebbels umgarnte Filmemacherin bis zu ihrem Lebensende gern in die Welt setzen wollte.
Zu dieser Wahrheit gehört, dass sie sich als unpolitisch verstanden hat, von den Gräueltaten der Nazis lange nichts gewusst haben will. Hitler habe sie nur als Mensch faszinierend gefunden. Die erste Hälfte des Stücks, das John von Düffel geschrieben hat, gehört ganz den Verstrickungen Riefenstahls mit dem Nazi-Regime. Es beginnt mit dem Brief, den die Regisseurin an Adolf Hitler schrieb, nachdem sie 1932 seine Rede im Sportpalast erlebte: „Ich muss gestehen, dass Sie und der Enthusiasmus der Zuhörer mich beeindruckt haben.“ Hitler ist seinerseits beeindruckt vom Interesse und trifft sie persönlich in Horumersiel. Nach der Machtergreifung steht Leni Riefenstahl im Zentrum der Macht.
Wie inszeniert man nun eine solche Geschichte, ohne der Sicht der Täter erneut eine große Bühne zu geben? Im Theater Oberhausen zeigt sich: Es ist kaum möglich, obwohl die gesamte zweite Hälfte der Aufarbeitung gilt. In einer TV-Show-Situation wird Leni Riefenstahl eine Art Prozess gemacht, basierend auf den Recherchen der Dokumentar-Filmerin Nina Gladitz, die beweisen konnte, dass viele Komparsen aus Riefenstahls Film „Tiefland“ nie Geld sahen und später im Konzentrationslager starben.
Kathrin Mädler nutzt die Mittel der Farce und der Satire, gibt den Szenen einen überspitzten Revue-Charakter. Alle Figuren haben hellblonde Haare und bleiche, fahl-weiße Haut – Arier-Menschen aus dem Grusel-Kabinett. Riefenstahl ist dreigeteilt: Es gibt sie als junge Diva, die den älteren Nazi-Granden den Kopf verdreht, dargestellt von Maria Lehberg. Ronja Oppelt spielt die schon ins System verstrickte Version immer am Rande des Nervenzusammenbruchs, mädchenhaft brüllend, ihren Willen einfordernd. Anke Fonferek ist die alte Leni Riefenstahl, die peinlich genau auf die Inszenierung ihrer Geschichte achtet.
Auch Hitler und Goebbels tauchen immer wieder auf, einmal hocken Philipp Quest und Torsten Bauer als Hitler im Doppelpack wie Schoßhündchen vor der jungen Leni, reiben sich an ihren Beinen. Der Diktator, der die Unterwerfung der ganzen Welt forderte, unterwirft sich einer anderen Egomanin, winselt um ihre Gunst.
Trotz solch überzeichneter Szenen, die ein schauriges Lachen herausfordern, transportiert die Inszenierung auch – so wie es jede Beschäftigung mit dem Thema tun würde – den Mythos Leni Riefenstahl. Es ist der Mythos einer Frau, der alle Mittel Recht waren, um als Filmkünstlerin ganz nach oben zu gelangen, deren wegweisende filmische Innovationen bis heute zumindest anerkannt werden – doch eingesetzt hat sie sie für die Inszenierung Nationalsozialistischer Propaganda-Veranstaltungen.