Die Pianistenhoffnung Martin Helmchen

Der 1982 in Berlin geborene Künstler besticht erneut – nun mit Klavierwerken von Robert Schumann.

Romantik: virtuoses Brausen, teuflische technische Hürden und am Ende satte Akkorde als Höhepunkt. Oder etwa nicht? Man höre etwa den Schluss von Robert Schumanns "Waldszenen". Die sind das Gegenteil. Stille Poesie, edle Einkehr.

Schumann boomt derzeit. In letzter Zeit ist eine auffallende Dichte an neuen Klavieraufnahmen seiner Werke zu verzeichnen, darunter eine famose Gesamteinspielung mit dem Franzosen Eric Le Sage. Auch Florian Uhlig hat das pianistische Komplett-Werk ins Visier genommen; András Schiff robbt sich in größeren Zeit-Abständen an dieses Fernziel heran.

Jetzt hat Martin Helmchen seinen Hut in den Schumann-Ring geworfen. Der in Berlin geborene Helmchen ist ein eher stiller Vertreter unter den jungen Pianisten um die dreißig. Kein Lang Lang, der das Blitzlicht sucht und liebt, sondern ein akribischer Arbeiter im Weinstock der ausgefeilten Klavierspielkunst. Zugleich ist er einer der interessantesten und deutschen Pianisten seiner Generation.

An der Wiege gesungen hat man ihm diese Laufbahn nicht. Ein bisschen Singen mit den Eltern. Ein bisschen Papas Schallplatten. Mit fünf dann Blockflöte. Nichts, was auf eine Berufswahl "Musiker" hindeuten würde. Als Achtjähriger faszinieren ihn dann Stücke wie Liszts "La Campanella", Griegs "Morgenstimmung" und Beethovens Fünfte. Die Lust ist geweckt. Helmchen bekommt Klavierunterricht, wird aber von den Eltern nie unter Druck gesetzt. Vielleicht ist das der Grund, warum "die berühmte Krise", die man oft als Jugendlicher mit 14 oder 15 Jahren hat, an ihm vorbeigerauscht ist.

Helmchen ist unauffällig und zielstrebig seinen Weg gegangen: Wettbewerbserfolge, vermehrte Konzertauftritte, Platten-Debüt. Inzwischen liegen Aufnahmen mit Konzerten von Mozart, Sonaten von Schubert, Trios von Mendelssohn und anderes vor. Alle gehobene Güteklasse. Doch Helmchen übereilt nichts, er kann warten.

So wie mit seiner Schumann-Einspielung. Die erscheint wie eine lange gereifte Frucht. Wer ein Paradebeispiel für unaffektiertes Klavierspiel sucht – bitte schön! Natürlichkeit bedeutet für Helmchen, alles Forcieren zu meiden und eins zu sein mit dem, was er als Interpret in sich spürt. In den "Waldszenen" etwa: Das Sphärische in "Verrufene Stelle", diese seltsame Mischung aus Zartheit und Bizarrerie, fängt Helmchen wunderbar und sehr innig ein.

Der "Vogel als Prophet" gerät zum graziösen Botschafter, zu einem leisen Visionär. Schöner hat das nach dem großen Wilhelm Kempff kaum jemand gespielt. In den "Symphonischen Etüden" lässt Helmchen es weniger glitzern, weniger funkeln als seine französischen Kollegen Aimard und Le Sage, doch findet er immer wieder überzeugende Lösungen.

Martin Helmchen ist kein Hasardeur, nie gewesen. Aber eine große Hoffnung für die Zukunft.

(RP)
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