Ritterroman Die Rückkehr eines Artus-Ritters

Dank vieler Sponsoren konnte eine mittelalterliche Handschrift des Wigalois erworben und nach Deutschland geholt werden.

 Eine Zeichnung aus der Handschrift zeigt Ritter Wigalois im folgenreichen Drachenkampf.

Eine Zeichnung aus der Handschrift zeigt Ritter Wigalois im folgenreichen Drachenkampf.

Foto: Landesbibliothek/Badische Landesbibliothek Karlsr

Karlsruhe Auf unseren Bestsellerlisten taucht dieser Roman nicht mehr auf. Was vor allem daran liegt, dass er inzwischen einige Jährchen auf dem Buckel hat, genauer: gut 900 Jahre. Um 1215 hatte der fränkische Dichter Wirnt von Grafenberg den mittelhochdeutschen Versroman über den Ritter Wigalois geschrieben, der vor allem bei Adligen und reichen Stadtbürgern ein echter Knüller wurde. Die Zahl der Abschriften lassen vermuten, dass der Wigalois als Unterhaltungsroman das meistgelesene Ritterabenteuer seiner Zeit war. Ein Simmel des Mittelalters, nur abenteuerlicher.

Und abenteuerlich ist er bis heute geblieben. Denn eigentlich hatte man die reich bebilderte Abschrift von 1420 – die über Jahrhunderte zur Donaueschinger Hofbibliothek gehörte – schon abgeschrieben. Pikanterweise galt das Werk erst seit 1990 als verschollen. Damals hatte das Haus Fürstenberg das Buch an einen amerikanischen Sammler verkauft. Öffentlich wurde davon nichts, ohnehin dürfte das damals kaum geholfen haben, da ein Kulturgutschutzgesetz noch nicht existierte.

Wie durch ein kleines Wunder tauchte die Handschrift dann aber 2003 im Handel wieder auf, die 2012 zunächst in den Besitz eines Antiquitätenhändlers ging. Natürlich wurde die Badische Landesbibliothek darauf aufmerksam, verhandelte langwierig mit dem neuen Besitzer und sammelte nebenher eifrig Sponsorengelder. Am Ende reichte es dann: Mit Hilfe der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, der Kulturstiftung der Länder, der Wüstenrot-Stiftung sowie des Kulturministeriums des Bundes kam jetzt eine ausreichende Summe zusammen, über die alle Beteiligten zwar hartnäckig schreiben, die aber bei gut zwei Millionen Euro liegen dürfte.

Eine lohnende Investition ist das, auch wenn es sich mit der Erwerbung nicht um das Original handelt, sondern um eine Abschrift zwei Jahrhunderte nach der Entstehung. „Eine Klassiker-Ausgabe ist das damals praktisch gewesen“, sagt Julia Freifrau Hiller von Gaertringen, die Direktorin der Badischen Landesbibliothek. Und was für eine! Die Hagenauer Werkstatt des Diebold Lauber war ein erfolgreiches kommerzielles Unternehmen, das auf Vorrat für einen Käufermarkt produzierte. Repräsentative Ausgaben waren das, mit großformatigen Federzeichnungen, luftigem Layout. Ein echter Blickfang fürs Wohnzimmer.

Ein Unikat ist jede Ausgabe dennoch, weil die kunstfertigen „Abschreiber“ manchmal Verse aus- und eigene Fehler zugelassen haben. Entsprechend demütig klingen die letzten Zeilen des Herstellers, der am Ende der jetzt erworbenen Ausgabe die Kunde hinterlässt: „Der mich schrieb, dessen Namen weiß man nicht. Wenn er besser geschrieben hätte, hätte er seinen Namen dazugesetzt. Hier endet dieses Buch. Dir gebührt das Lob.“

Und worum es in diesem Roman geht? Ach, das ist eine Geschichte um Lug und Betrug, um ritterliche Dienste, Burgeroberungen und Kämpfe gegen teuflische Mächte in einem Jenseitsreich; eine Vater-Sohn-Geschichte spielt auch eine Rolle und vor allem ein prächtiger Zaubergürtel, der seinem Träger „stercke und wisheit“ verleiht, wie es heißt, der also praktisch unbesiegbar macht. Einen Drachenkampf gibt es auch, der jedoch endet unentschieden. Zwar wird das furchterregende Reptil – das im Buch ein wenig mickrig ausschaut – bezwungen, dummerweise geht dabei auch der Gürtel für ewig verloren. Das ist ein Fingerzeig. Wigalois kehrt heim, lebt mit Frau und Kind und giert fortan nicht mehr nach Abenteuern. Ob sein Sohn in die großen Fußstapfen des Papas treten wird, bleibt ungewiss. Denn dessen Geschichte soll ein anderer erzählen, heißt es recht souverän am Ende.

Nachfolger gab es dennoch, selbst im 20. Jahrhundert. Eine der großen niederrheinischen Erzähler machte sich den Ritter derart zu eigen, dass er sich im Zweitnamen nach ihm benannte: der 1989 in Dülken gestorbene Albert Vigoleis Thelen.

Info Digital ist die Handschrift ab heute zu sehen unter:
https://digital.blb-karlsruhe.de/wigalois

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