Die Lehren aus dem Fall Beltracchi

Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und seine Ehefrau Helene haben zwei Bücher verfasst. Sie erzählen von den abenteuerlichen Umständen des Betrugs – und bessern damit zugleich ihre Kasse auf.

Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und seine Ehefrau Helene haben zwei Bücher verfasst. Sie erzählen von den abenteuerlichen Umständen des Betrugs — und bessern damit zugleich ihre Kasse auf.

Schon gut zwei Jahre ist es her, dass sich im Kölner Landgericht ein denkwürdiges Schauspiel in mehreren Akten darbot. Der schlitzohrige Hauptdarsteller Wolfgang Beltracchi, damals 60 Jahre alt und des Kunstfälschertums angeklagt, bestach Publikum und Presse im Saal durch denselben Charme, mit dem er zwei Jahrzehnte zuvor seine Ehefrau zur wichtigsten Mittäterin gemacht hatte. Verhandelt wurde der größte deutsche Kunstfälscherprozess der Nachkriegszeit. Am Ende hatte der Charme des Hauptangeklagten seine Wirkung nicht verfehlt: Milde Strafen waren der Lohn, und man hatte den Eindruck: Richter und Staatsanwältin waren über den frühen Ausgang des Prozesses mindestens ebenso froh wie die Angeklagten, denn die komplizierte, ungewohnte Materie hatte sie von vornherein überfordert.

Wer soll sich als Laie auch auskennen mit Titanweiß und Expertisen, mit Kompositionen, in denen sich der Fälscher phantasievoll in eine zeitliche Lücke zwischen zwei Bildern eines großen Meisters einfühlte, und mit all den Gepflogenheiten auf dem Kunstmarkt, von den Auktionen über die Eigenheiten der Galeristen bis zu den verblendeten Sammlern. Wer hätte denn auch geahnt, dass das Geschäft mit Kunst damals noch weitgehend auf Treu und Glauben beruhte, obwohl doch bekannt war, dass ungezählte Fälschungen kursierten und selbst angesehene, mit viel Sachverstand ausgestattete Museen darauf hereingefallen waren? Wo die Gier besonders groß ist, schaltet sich das Gehirn oft ab.

Hätten die Händler nicht all ihre Vorsicht über Bord geworfen angesichts der Aussicht, dass sie neue, bis dahin unbekannte Ware von bedeutenden Künstlern an Land ziehen konnten, wäre es zu diesem Fälscher-Skandal nicht gekommen. Dann hätten sie zum Beispiel merken müssen, dass der Großvater von Beltracchis Ehefrau Helene beim Aufbau seiner angeblichen Sammlung schon als Teenager im Geschäft gewesen sein musste — ziemlich unwahrscheinlich. Gipfel von Helenes Assistenzdiensten ihrem Ehemann zuliebe war eine nachgestellte Schwarzweißfotografie, auf der sie — als ihre Großmutter verkleidet und ihr natürlich verblüffend ähnlich — im Wohnzimmer zwischen jenen Bildern posierte, die Wolfgang Beltracchi gemalt und mit bedeutenden Signaturen wie Campendonk und Dix versehen hatte.

Was hat der Kunsthandel nun aus dem Fall gelernt? Rasch wurden seinerzeit Stimmen laut, die forderten, dass Bilder vor einem Verkauf mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden müssten; dass zu prüfen sei, ob die verwendeten Pigmente zur behaupteten Entstehungszeit des Bildes schon in Gebrauch waren, ob die Leinwand aus zeitgenössischer Produktion stammt und Pinselspuren nicht womöglich verraten, dass das Bild erst viel später entstand. Daraus ist nichts geworden. Angesichts der hohen Zahl von Bildern, die Jahr für Jahr weltweit einen neuen Besitzer finden, wären die Labore überfordert. Selbstverständlich aber gelobte mancher Händler, mancher Auktionator und auch mancher Gutachter, angebotene Ware künftig noch sorgfältiger zu prüfen als zuvor. Wenn man bedenkt, dass ein bis dahin angesehener Experte wie Professor Werner Spies, der sich immer seines guten Drahtes zu Picasso rühmte, auf Beltracchis Fälschungen im Stil von Max Ernst hereingefallen ist und daran noch kräftig verdient hat, fragt man sich schon, wie blauäugig und auch profitgierig das Kunsthandels-Gewerbe war und vielleicht noch ist.

Inzwischen hat man den Eindruck, dass mancher Händler den Fall Beltracchi als Schuss vor den Bug empfunden hat und nun vorsichtiger geworden ist, dass aber im Prinzip alles so weitergeht wie bisher. Schon immer gab es Händler, denen es um das schnelle Geld ging, und Händler, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Das Zweite bedeutet, dass sie ein angebotenes Bild abweisen, sobald sie merken, dass es Unstimmigkeiten gibt.

Wer ein wirklicher Experte auf seinem Feld ist, der weiß genau, welche Art von Malerei von einem Künstler in einer bestimmten Periode seines Schaffens zu erwarten ist. Er kennt auch die einschlägigen Bestandskataloge und wird nachsehen, ob das Bild dort verzeichnet ist. Er weiß, wie der Künstler seine Signatur zu setzen pflegte, und wird stutzig, wenn sich eine Abweichung zeigt.

Solche Händler gibt es zum Glück — Liebhaber, die sich der Kunst immer noch mehr verpflichtet fühlen als dem Mammon und lieber ein einträgliches Geschäft an sich vorüberziehen lassen, als dass sie ihren Ruf riskieren.

Wolfgang Beltracchi hat selbst gemerkt, dass ihm im Lauf der Jahrzehnte seines Kunstfälschertums ein Feind erwachsen ist, mit dem er nicht gerechnet hatte: das Internet. Es lädt zu Vergleichen ein, macht den Markt durchsichtig und bietet durch Abbildungen seine Hilfe auch beim Enttarnen von Fälschungen an. Pech gehabt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort