open space in der Kunstsammlung NRW Das Museum als Stätte der Begegnung

Düsseldorf · In der Kunstsammlung NRW wurde mit „open space“ für drei Monate ein multifunktionaler Aktionsraum für alle Menschen eingerichtet. Unter den Kooperationspartnern sind Unis, Umweltverbände, die Lebenshilfe und Ernährungsexperten.

 Orte der Begegnung will die Aktion open space in der Kunstsammlung NRW schaffen - wie hier im Jahr 2018.

Orte der Begegnung will die Aktion open space in der Kunstsammlung NRW schaffen - wie hier im Jahr 2018.

Foto: Achim Kukulies

Das Museum ist nicht mehr das, was es einmal war. Zumindest für die kommenden drei Monate hat die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ihre Zugangsschwellen deutlich abgeflacht und mit „open space“ (offener Raum) einen Ort eingerichtet, der möglichst viele Menschen, gleich welchen Alters oder welcher Herkunft, in den Bann dieses Schatzhauses der Kunst ziehen soll. Beim ersten Mal, 2018, hatte das Experiment wunderbar geklappt: 30.000 Besucher wurden gezählt.

Ein Mann war jeden Tag erschienen, um einfach nur geruhsam die ausliegende aktuelle Tageszeitung zu lesen, im Kiosk konnte er den Becher Kaffee erwerben, den er dazu trank. Immer wieder sonntags fand sich in der als Arena eingerichteten Ecke ein privater Philosophiekreis ein, der seine Debatten über die gesamte Laufzeit am Grabbeplatz führte. Manche Familien kamen einfach ohne Anmeldung, um Geburtstage zu feiern, sie fanden zahlreiche Unterhaltungsangebote für Kinder vor. Spiele lagen in der als Bibliothek definierten Ecke aus, gleich neben dem Infopoint mit PC-Sitzplätzen. Und in der angrenzenden Siebdruckwerkstatt konnte die Geburtstagsgesellschaft Bilder herstellen, die später als Originale aus einem Museum gelten würden.

Am Ende ergab eine Befragung ausnahmslos positive Resonanz, die zur Neuauflage in diesem Jahr ermunterte. Einer schrieb, man sollte den open space für die Bürger auf Dauer erhalten. Einen „Ort, der Mut, Kraft und Energie spendet“ nannte ihn ein anderer Kommentator. „Der erste nicht versnobte Ort in Düsseldorf“ hatte ein Mädchen mit krakeliger Handschrift auf dem Zettel vermerkt und an die Pinnwand geheftet.

Immer noch ist das Museum für viele Bürger ein Niemandsland, das sie nie im Leben betreten. Von dem die meisten nicht einmal wissen, dass sie es sind, die es besitzen, weil es aus ihren Steuergeldern betrieben wird. „Dritte Orte“ nennt man Raumeinheiten wie open space, die Schnittstellen zum Museum sind, aber auch als Sozialräume, Diskussionspodien, Kennenlernbörsen, Ruhe- oder Aktionsräume betrachtet werden, zu denen Menschen unterschiedlicher Herkunft hinkommen oder zusammenkommen, sich kennenlernen und im besten Fall etwas miteinander anfangen.

Wegen der Pandemie musste die Neuauflage um ein Jahr verschoben werden, berichtet Julia Harenberg, Leiterin der Abteilung Bildung in der Kunstsammlung. „Doch wegen Corona ist die Aktionsphase vielleicht noch wichtiger angesichts der Vereinsamung und Verzweiflung vieler Kinder und Erwachsener infolge der Beschränkungen des Lockdowns.“ Es gibt fast nichts Kreatives, was nicht in der langgezogenen Grabbehalle ermöglicht wird, mit unerwarteten Kooperationspartnern werden Themen wie Saatgut und Utopien, Yoga oder Nachhaltigkeit, Vögel in Düsseldorf oder Ideen des kreativen Widerstands verhandelt.

Damit dies alles möglich, funktionell und lebendig ist, hat die Direktorin der Kunstsammlung, Susanne Gaensheimer, erneut die Experten für Dritte Räume verpflichtet: das Kollektiv raumlaborberlin, das auf der diesjährigen Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Intelligent und innovativ haben die Berliner die große Halle in einen Parcours umgestaltet, auf dem die Aktionen stattfinden sollen. Beim Material und in der Dekoration gingen sie nicht nur äußerst augenfällig, sondern auch nachhaltig vor. Der knallrote Kunststoffvorhang verhüllt den improvisierten Ausgang zum Platz und ist wieder der Blickfang.

Die gigantischen Lampen an der Decke, die mit etwas Fantasie genauso gut vom Weltkünstler Olafur Eliasson stammen könnten, sind in Wahrheit von den kreativen Berliner Raumplanern aus Depotmaterial zusammengesetzt. Die transparenten Wände, die den Malraum für Kita-Kinder einfassen, sind aus Metallskeletten zusammengebaut, die normalerweise mobile Ausstellungswände stützen.

„Nichts als Zukunft“ geben die Museumsleute als Motto aus, in der Stadt ist dies augenfällig plakatiert. Thematisch kreisen die Vorträge um das brennende Thema des „Anthropozän“ – das gegenwärtige Erdzeitalter, in dem der Mensch mit seinen Handlungsmaximen als wichtigster Einflussfaktor für die Zukunft der Erde gilt. Hochintellektuell bis niedrigschwellig erweist sich die Aktion im Museum, das immer auch Brückenbauer sein will. Wer open space verlässt, kann nebenbei immer noch Kunst gucken, George Braque etwa erleben oder die wunderbare Malerin Lynette Yiadom-Boakye.

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