Ausstellung über NS-Regierungsviertel Die braune Machtzentrale mitten in Berlin

Berlin · "Was macht die Wilhelmstraße" - lange galt die Frage unter Europas Politikern als geflügeltes Wort. Die Nazis bemächtigten sich schnell dieses zentralen Ortes der deutschen Machtpolitik, wie eine Ausstellung zeigt.

 Die Ausstellung "Die Wilhelmstraße 1933-1945 - Aufstieg und Untergang des NS-Regierungsviertels" im Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" in Berlin ist bis zum 25. Novembe geöffnet.

Die Ausstellung "Die Wilhelmstraße 1933-1945 - Aufstieg und Untergang des NS-Regierungsviertels" im Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" in Berlin ist bis zum 25. Novembe geöffnet.

Foto: dpa, Matthias Balk

Die Berliner "Achse des Bösen" verläuft über etwas mehr als einen Kilometer: Entlang der Wilhelmstraße richtete das Hitler-Regime seine Schaltzentrale ein - vom Auswärtigen Amt, dem Propagandaministerium und der Reichskanzlei bis zum Luftfahrtministerium und dem Reichssicherheitshauptamt. Ab dem Boulevard Unter den Linden über die Leipziger bis zur Anhalter Straße nahmen die Nazis nach 1933 schrittweise die von Bürgerhäusern und preußischen Villen gesäumte Meile in den Griff.

 Die Ausstellung richte sich auch an Berlin-Besucher, die wissen wollten, wo eigentlich "das Zentrum des Bösen" zwischen 1933 und 1945 gewesen sei.

Die Ausstellung richte sich auch an Berlin-Besucher, die wissen wollten, wo eigentlich "das Zentrum des Bösen" zwischen 1933 und 1945 gewesen sei.

Foto: dpa, Matthias Balk

Eine Ausstellung im Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" in Berlin zeichnet von diesem Dienstag an (bis 25. November) die Geschichte und den Wandel des NS-Regierungsviertels nach. Historische Fotografien der Fassaden wurden vergrößert und wie ein begehbarer Stadtteil angeordnet. Hinter den Türen wird die Rolle der einzelnen Behörden erläutert.

Das Zentrum des Bösen

Die Ausstellung richte sich auch an Berlin-Besucher, die wissen wollten, wo eigentlich "das Zentrum des Bösen" zwischen 1933 und 1945 gewesen sei, sagte der Direktor des Dokumentationszentrums, der Historiker Andreas Nachama, am Montag.

"Was sagt die Wilhelmstraße?" - schon zu Zeiten des deutschen Kaiserreichs wurde so gefragt, wenn es um die nächsten Schritte ging, sagte Nachama. Wie die Londoner "Downing Street" für das britische Imperium oder das "Quai dOrsay" für Frankreich, war die Wilhelmstraße Chiffre für den Entscheidungs- und Symbolort der deutschen Politik.

So gelang es den Nationalsozialisten nach 1933 sehr schnell, sich der Straße zu bemächtigen. Zwar gehörten dem ersten Kabinett Hitlers von elf Ministern nur drei der NSDAP an. Doch Joseph Goebbels ließ Hitlers Wahl zur "Machtergreifung" stilisieren. Am 30. Januar 1933 marschierten SA und SS vom Brandenburger Tor über die Wilhelmstraße bis zur Reichskanzlei. "Es ist fast wie ein Traum. Die Wilhelmstraße gehört uns", schrieb Goebbels in seinen Erinnerungen an den Tag. "Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte", sagte der von dem braunen Spektakel angewiderte Maler Max Liebermann in seiner Wohnung am Brandenburger Tor.

Wenn heute Hauptstadt-Touristen nach dem realen Zentrum der NS-Macht fragen, werden sie oft enttäuscht. Die Zerstörungen in den letzten Kriegsmonaten sowie die Abrissbirnen in den 50 Jahren haben viele Spuren verwischt. Erst nach 1990 rückte die bis dahin von der Mauer geteilte Straße wieder in das öffentliche Bewusstsein.

Wo einst Adolf Hitler von der Wilhelm- über die Voßstraße von Albert Speer die "Neue Reichskanzlei" bauen ließ, stehen heute Plattenbauten aus DDR-Zeiten. Die Nazis zogen den Monumentalkasten 1939 in nur einem Jahr hoch, ganz bewusst hinter dem historischen Kaufhaus Wertheim, das die Nazis damals schon von den jüdischen Besitzern "arisiert" hatten. Die Ruine des Bunkers, in dem Hitler sich am 30. April 1945 das Leben nahm, ist versiegelt.

Nur schemenhaft ist heute der Wilhelmplatz zu erkennen, an dem sich am 1. September 1939 Hitler feiern ließ, nachdem er zuvor den Einmarsch in Polen angekündigt hatte. Heute stehen dort unter anderem die einem Raumschiff ähnelnde Botschaft Tschechiens und ein Supermarkt.

Die Marmor- und Granitbauten der Nazis stehen noch immer, von den preußischen Stadtpalästen blieb kaum etwas übrig. Der Anbau zu Goebbels Propagandazentrale gehört dem Arbeits- und Sozialministerium. In Hermann Görings Luftfahrtministerium, in dem zu DDR-Zeiten das Haus der Ministerien untergebracht war, werden heute die Bundesfinanzen geregelt. "Diese Gebäude waren nahezu unzerstörbar", sagte Kuratorin Claudia Steur.

(dpa)
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