Köln Die Botschaften des Rockstars

Köln · Rogers Waters bietet in Köln politische Parolen und musikalische Klassiker.

Kurz vor Ende seines Auftritts in der Kölner Arena, vor der Zugabe "Comfortably Numb" mit dem wahrscheinlich besten E-Gitarrensolo der Welt, möchte Roger Waters noch etwas sagen. Er hält einen Zettel in der linken Hand, die nach zweieinhalb Stunden engagiertem Bassspielen zittrig ist. Halb verliest und halb spricht er frei eine Anklage gegen drei öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, die sich aus der Präsentation der Deutschland-Konzerte seiner "Us + Them"-Tour zurückgezogen hatten. Namentlich nennt er den WDR-Intendanten Tom Buhrow und Malca Goldstein-Wolf, die 1300 Unterschriften gesammelt hatte, um den WDR umzustimmen. "Warum das alles? Weil sie glauben, dass ich Antisemit bin", ruft Roger Waters ins Publikum. "Dazu kann ich nur sagen: Ich bin es nicht. Doch ich glaube an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 - und die sollten auch die Palästinenser genießen."

Damit hat der Mann, den man so gern nur an seinem starken künstlerischen Oeuvre messen würde, sich einmal mehr politisch angreifbar gemacht. Denn so einfach ist der Antisemitismus-Vorwurf nicht aus der Welt zu räumen. Waters engagiert sich stark in der BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen), die Israel für einen Apartheid-Staat hält und sein Existenzrecht immer wieder indirekt in Frage stellt.

Der gesamte Auftritt des Pink-Floyd-Veteranen - vor allem die zweite Hälfte, in der eine gewaltige Videowand die ausverkaufte Halle trennt - ist voll von politischen Botschaften. Er wendet sich gegen Krieg, Unterdrückung und Machtmissbrauch, steht für die Rechte von Frauen und Schwarzen ein, nutzt das Motto "Resist". Als die Wand die Kulisse des Battersea Kohlekraftwerks darstellt und Waters "Pigs" von der Platte "Animals" anstimmt, da ist die Inszenierung ganz auf Donald Trump gemünzt. Die Botschaft: Wir werden von Schweinen regiert, und der amerikanische Präsident ist das Oberschwein. Zu Lichtblitzen und Schlagzeug-Donner kann das Publikum am Ende des Songs Twitter-Einträge lesen.

Natürlich inszeniert er auch seine Anti-Erziehungs-Hymne "Another Brick in the Wall", lässt eine Gruppe Kölner Kinder wie Insassen eines Folterknasts auf die Bühne kommen und eine Choreografie zum Refrain aufführen. Und als er beim Material von "Wish You Were Here" angelangt ist, fordert er das Publikum energisch zum Mitsprechen auf: "Welcome to the Machine". Da führt sich der 74-Jährige, der sich mit diesen Stücken gegen autoritäre Herrschaftssysteme und Erziehungsmethoden wendet, selbst auf wie ein Oberlehrer mit starkem Sendungsbewusstsein.

Von seinem Solowerk spielt Waters bloß vier Stücke des aktuellen Albums "Is This The Life We Really Want", das wie eine Neuentdeckung und -verwertung des alten Pink-Floyd-Materials klingt. Fast komplett zur Aufführung kommt hingegen "The Dark Side of the Moon" - auch die Stücke ohne Worte, bei denen man den Sound von Roger Waters' famoser Band mit den großartigen Gitarristen und Sängern Jonathan Wilson und Dave Kilmister ganz pur und ohne übergestülpte Botschaft genießen kann.

(mfk)
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