Porträt Kraftklub Die Band mit dem brennenden K

Kürzlich haben Kraftklub in einem Lausitzer Tagebau ein meterhohes K abgefackelt. Einfach, weil sie es können. "Geigel" nennen sie das, was so viel wie Spaß am Unsinn bedeutet. Dabei hat die Band womöglich deutlich mehr im Sinn.

Vor fünf Jahren pflügten Kraftklub mit Stil und Haltung in den deutschen Gitarrenrock: Auftritt als Rudel in Polohemden, Oden an die sächsische Heimatstadt, ausverkaufte Konzerte. Dieser Tage erscheint ein neues, ihr drittes Album, "Keine Nacht für niemand" heißt es - die Referenz an Ton Steine Scherben ist offensichtlich. Die Musik darauf ist nach wie vor der gute, schnelle britische Indierock der frühen Noughties, Hives-Gitarren, Energie, dazu zappeliger Sprechgesang. Auf "Keine Nacht" kommen einige Variationen dazu: Diskobeat, Orchester, ein bisschen Schweinerock, angedeuteter Stoner, kleinere Ausbrüche vom Gewohnten. Felix Brummer, Sänger, Texter und Sprachrohr der Chemnitzer, erzählt, dass die Band das Liedermachen eher intuitiv betreibe und es selten konzeptionelle Diskussionen darüber gebe, wohin die Reise gehen soll.

Vielleicht ja doch. Denn rasch kommt er auf die Pause nach dem zweiten Album zu sprechen. Ging ja überaus rasant für die Chemnitzer nach oben. Hatten sie für das Debüt fünf Leben lang Zeit, erzählte der Nachfolger "In Schwarz" von einer Band, die es nicht fassen kann, was ihr gerade geschieht. "Ja, die ersten Jahre sind in einem Wimpernschlag vergangen", sagt Brummer, "Wir sind da einmal so durchgerauscht. Jetzt nimmt man alles bewusster wahr." Und fügt den schönen Satz hinzu: "Man kann einfach nicht mehr jeden Backstage leersaufen."

Geschichten abseits des Tourlebens wollten sie im Rockstar-Sabbatical sammeln, endlich weg vom Autobiografischen kommen. Infolgedessen schlüpft Brummer nun mehrmals in die Köpfe anderer: des Stalkers, des Büromenschen, des Pegidaisten. Der vermeintlich authentische Künstler wird zum fabulierenden Erzähler. Da sind Missverständnisse programmiert. Auf der ersten Single "Dein Lied" heißt es im Refrain: "Du verdammte Hure, das ist dein Lied."

Dafür hagelte es Kritik. Nicht unbedingt nur des Wortes wegen - bei Bands wie KIZ läuft "Hure" unter Hochdeutsch - sondern auch wegen der Direktheit. Viele Kraftklubtexte sind stark, weil sie sich ihrer selbst bewusst sind. In "Dein Lied" ist das anders. Da steht die Aussage eins zu eins, ohne jeden Bruch oder Reflexion. Brummer hat von den Reaktionen gehört und versichert - sehr nachdrücklich -, dass die Band andere Werte vertritt. "Natürlich ist die Vorstellung schrecklich, dass der Sexistenstammtisch 'Dein Lied' abfeiert. Weil es so weit weg ist von dem, wofür wir stehen. Aber nur noch Musik zu machen, die von jedem richtig verstanden wird, da kann man es auch bleiben lassen." Er spricht davon, wie es ist, das lyrische Ich kippen zu lassen, über Beipackzettel zu Liedern und exklusive Deutungshoheiten.

Und über ein weiteres Stück ist zu reden: "Fenster", ein Lied aus der Sicht eines Wutbürgers. Im Video will dieser Amok laufen, trifft aber nur mehr auf Zombies. Brummer wehrt sich gegen die Einschätzung, damit ein Zeichen setzen zu wollen: "Nein, wollten wir nicht. Wir stehen ja nicht im Proberaum und sagen, jetzt müssten wir uns mal zur aktuellen politischen Lage äußern. Wir sind eine Band, die in dreieinhalb Minuten Kommentare zu Sachen machen, die uns bewegen."

In seinen Antworten fällt auf, dass er immer wieder versucht, das Bild als Band mit Agenda zu unterlaufen. Über Chemnitz etwa, ihre mehrmals ambivalent besungene Heimatstadt, wo es eine lebendige, offene Kunstszene ebenso wie den Sonnenberg gibt, ein Viertel, das von Faschos okkupiert wird, sagt er: "Manchmal glaube ich, die Leute erwarten, dass wir erzählen, wie krass wir uns für unsere Stadt engagieren und die große Veränderung herbeiführen wollen. Aber wir finden es nur geil, da zu wohnen." Trotzdem. Sie sind ja eben geblieben, proben dort, sind weiter aktiver Teil der Szene, veranstalten ein Festival, zu dem sie einheimische Bands einladen. "Locals supporten kennt man schon vom Skateboarden. Und das sollte sich nicht nur auf Subkultur beschränken, sondern alle Bereiche des Lebens betreffen." Und ergänzt: "Für uns sollte nie nur die Musik sprechen. Und wir finden es spaßig, uns um die Musik herum Dinge auszudenken."

Vielleicht ist es so einfach: Kraftklub schauen wach auf ihre Umgebung und machen aus diesem Blick Lieder, die sehr genau die Gegenwart registrieren. Zugleich wollen sie sich ungern darauf festlegen lassen. Und so ließe sich dann auch der Albumtitel verstehen - als Zeichen dafür, dass für die Band Geigel und Haltung einander bedingen.

(RP)
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