Recklinghausen Die alte Dame besucht das Revier

Recklinghausen · Bei den Ruhrfestspielen spielt der Dürrenmatt-Klassiker im Ruhrgebiet.

Durch die Eröffnungsinszenierung der Ruhrfestspiele weht mehr als ein Hauch von Abschied. Regisseur der Dürrenmatt-Inszenierung "Der Besuch der alten Dame" ist Intendant Frank Hoffmann, der zum Ende dieser Saison nach 14 Jahren aus dem Amt scheidet und den Weg frei macht für Olaf Kröck vom Schauspielhaus Bochum. "Das Ruhrgebiet ist mir in dieser Zeit ein Stück Heimat geworden", sagte der Luxemburger vorab. So ist sein "Besuch der alten Dame" unverkennbar auch eine Hommage an das Ruhrgebiet.

Die schillernde Maria Happel erklärt als Claire Zachanassian in der ersten Szene, dass die Regionalbahn auf dem Weg in ihre Heimatstadt Güllen auch in Waltrop und Datteln halte - und das sei nun wirklich nicht zumutbar. Einmal singt ihr Chor "Zuerst stirbt die Zeche, dann stirbt die Stadt", und auch das beeindruckende Bühnenbild von Ben Willikens ist mit seinen rostigen Stahlelementen eine tolle Hommage an die Industriekultur-Denkmäler der Region.

Güllen ins Ruhrgebiet zu versetzen, ist nicht weit hergeholt. Die Angst, mit dem Wegfall von immer mehr Industriearbeitsplätzen ökonomisch abgehängt zu werden, ist hier real. Nicht undenkbar also, dass die Menschen hier korrumpierbar wären, wenn auf einmal die reichste Frau der Welt auftauchte und eine Milliarde zu verschenken hätte. So geschieht es in Güllen. Der halbwegs regelmäßige Theaterbesucher weiß natürlich, dass die Schenkung an eine Bedingung geknüpft ist: Jemand muss Alfred Ill ermorden, der Claira Zachanassian vor 45 Jahren geschwängert und sitzengelassen hat. Das Kind starb bald, sie musste ihren Körper verkaufen, um durchzukommen.

Frank Hoffmann gelingt es tatsächlich, die bekannte Geschichte um Schuld und Gerechtigkeit anregend zu erzählen. Er vertraut dabei ganz auf gestandene Schauspieler, die zu großen Teilen aus dem Ensemble des Wiener Burgtheaters kommen. Neben Maria Happel steht mit Burghart Klaußner ein weiterer Star auf der Bühne: Sein Alfred Ill stürzt durch den überraschenden Besuch nicht nur in eine persönliche Krise, seine Angst ist auch ein Gradmesser für den moralischen Verfall der Kleinstädter, dem er nichts entgegenzusetzen hat.

Großen Applaus gibt es am Ende auch von prominenten Gästen wie Jens Spahn, Armin Laschet oder Claudia Amm. Ein schwer bewachter Fuhrpark aus schwarzen Limousinen steht vor dem Ruhrfestspielhaus als Symbol für die Beliebtheit des scheidenden Intendanten.

(mfk)
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