Dichterin Eva Strittmatter mit 80 Jahren gestorben

Vielleicht ist sie eine der letzten romantischen Dichterinnen hierzulande gewesen – eine, die in der Natur zwar keine Idylle, aber doch Erlösung zu finden hoffte. Allein damit gebührt Eva Strittmatter eine Sonderstellung: in ihrer Zeit, vor allem aber in ihrem Lebensumfeld. Denn eine naturlyrische Weltsicht zu den eher grauen Zeiten der DDR schien nach einer Flucht aus der gesellschaftlichen wie politischen Wirklichkeit zu klingen, weniger nach einer Poetik.

Damit jedoch würde man das Werk dieser Dichterin unterschätzen: eine Lyrik, die dem eigenen Leben und der oft schonungslosen Selbstbefragung abgerungen wurde und die sich zu behaupten hatte neben der Literatur ihres berühmten, vor sechs Jahren gestorbenen Mannes Erwin Strittmatter. Und auch damit hat sie sich auseinandergesetzt. Bereits 1968 schreibt sie, dass ihr nichts so sehr verhasst sei "wie die literarischen Ehefrauen der Dichter, die ins Metier hineinwachsen". Bei ihr aber, fügt sie trotzig hinzu, sei das anders. So ist sie nicht in dieses "Metier" hinein-, sondern mit ihren Versen über das eigene Leben hinausgewachsen. Schon früh haben die Leser Strittmatters Gedichte als eigene Stimme wahrgenommen. Dass ihr Werk am Ende eine Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren erreichte, ist dafür ein Beleg. Der immense Zuspruch ist zugleich der Alltäglichkeit ihrer Themen und der bewussten Schlichtheit ihrer Sprache geschuldet. Das Volkstümliche ist ihr Programm gewesen, das sie wie ein kleines Manifest in ihrem Gedicht "Poetik I" verteidigt: "Ich will so deutlich schreiben / Dass die Leute an meinem Ort / Meine Gedichte lesen / Und meine Gedanken verstehn / Und sagen: so ist es gewesen / Und das haben auch wir schon gesehn."

Aber ist es so gewesen? Wer die Lyrik der Strittmatter mit der Wirklichkeit verrechnet, wird ein krummes Ergebnis bekommen. Weil Strittmatter die poetische Wahrheit im Sinn hat und sich eine Haltung zu eigen machte, das Leben aus einer sehnsuchtsvollen wie naiven Naturbetrachtung abzuleiten: "Die eine Rose überwältigt alles" heißt es in einem Poem von 1977.

Gestern ist Eva Strittmatter 80-jährig gestorben – in Berlin, nicht in der Abgeschiedenheit ihres Schulzenhofes im brandenburgischen Dollgow. Ihr Rückzugsort war das, der nichts von der Welt vernebelte, sondern diese in einem klareren Licht erscheinen ließ, bis zuletzt: als sie schon alt ist und einsam "und nichts mehr geschieht", wie sie dichtet, und "alles, was kommt, kommt nur noch im Lied".

(Rheinische Post)
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