Deutschland fehlen beim ESC die Verbündeten

Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Briten von Blue und den Griechen Loucas Yiorkas und Stereo Mike. Am Ende des Abends fallen sich die vier hübschen Jungs von Blue in die Arme, weil die Niederlande statt für die bereits ausgeschiedene Türkei überraschend zwölf Punkte an London transferiert haben. Deutschland kann nur einmal über zwölf Punkte jubeln – sie kommen wie fast jedes Jahr aus Spanien.

So könnte das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) morgen ausgehen, wenn man sich alleine auf die 55 Jahre umfassende ESC-Statistik verlässt. Denn Deutschland fehlen unter den 43 abstimmungsberechtigten Teilnehmerländern die Verbündeten. Während Großbritannien und Griechenland jeweils bei fünf Ländern die Lieblingsnation ist (siehe Grafik), ist das bei der Bundesrepublik nur einmal der Fall. Nur in Spanien steht Deutschland laut ESC-Geschichte in der Gunst ganz oben. An der großen Anzahl von deutschen Urlaubern auf der Iberischen Halbinsel kann das nur zum Teil liegen. Denn mit Mobiltelefonen mit deutscher SIM-Karte kann nicht für den deutschen Beitrag abgestimmt werden. Dafür wäre ein spanischer Festnetzanschluss oder ein Handy mit ausländischer Karte erforderlich.

Wollte man eine Gesetzmäßigkeit aus der Statistik ableiten, würde sie lauten: Nachbarn stimmen für Nachbarn. Denn im Laufe der 55-jährigen ESC-Geschichte haben sich gleich mehrere Bündnisse herausgebildet. Die Skandinavier halten fest zusammen, und auch ehemalige Ostblock-Staaten teilen häufig die Punkte untereinander. Am Auffälligsten ist dieses Verhalten bei den Balkan-Staaten: Slowenien gibt die meisten Punkte an Kroatien, das wiederum mit Nachbarn Bosnien-Herzegowina die Zähler austauscht. Das Land mit dem Doppelnamen ist außerdem auf der anderen Grenzseite bei Serbien am angesagtesten.

Der Sieg von Lena Meyer-Landrut 2010 in Oslo zeigte aber auch, dass diese Blöcke sich auch anders verhalten können. So war Lenas "Satellite" der Renner in Nordeuropa, unter anderem in Skandinavien: Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen gaben jeweils zwölf Punkte. Auch im Baltikum gab es zweimal "douze points" für Lena. Von Estland und Lettland kam die maximale Punktzahl, Litauen schenkte der Hannoveranerin zehn Zähler. Und natürlich gab es die obligatorischen zwölf Punkte aus Spanien. Verhalten bis unbeliebt war Lenas Beitrag hingegen am östlichen Rand des Kontinents. Moldawien, Armenien, Weißrussland, Georgien und Israel gaben Deutschland keinen Punkt.

Abzuwarten bleibt, an wen die Punkte gehen, die sonst beliebte, aber mittlerweile ausgeschiedene ESC-Nationen traditionell erhalten haben. Die Türkei – dessen Rock-Truppe Yüksek Sadakat das Halbfinale nicht überstanden hat – steht bei vier Nationen (Bulgarien, Niederlande, Aserbaidschan und Deutschland) hoch im Kurs. Dass selbst alte Rivalitäten mal enden, zeigt ein Blick auf Österreich: Aus der Alpenrepublik kamen in den vergangenen zehn Jahren statt null durchschnittlich 3,8 Punkte.

(RP)
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