Der Pianist Seong-Jin Cho kommt in die Tonhalle Fachmann für Delikatessen und Abgründe

Düsseldorf · Der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho gastiert mit einem romantischen Programm in der Tonhalle. Im Jahr 2015 gewann er den Warschauer Chopin-Wettbewerb.

 Der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho.

Der südkoreanische Pianist Seong-Jin Cho.

Foto: Christoph Köstlin/Heinersdorff

Oft spielen Koreaner deutsche Bewerber an die Wand, wenn es um einen Studienplatz an einer Musikhochschule geht. Auch bei internationalen Wettbewerben siegen immer mehr Teilnehmer aus Korea. 2007 machten sie bereits ein Viertel aller Preisträger aus. Alles bedauernswerte gedrillte Existenzen, deren Eltern abschließbare Räume mit Videoüberwachung mieten, damit der Nachwuchs konzentriert übt?

Der international gefragte Pianist Seong-Jin Cho, geboren 1994 in Seoul, weiß es genauer. Am 6. Februar wird er einen Klavierabend in der Tonhalle Düsseldorf geben, wo er im Rahmen der Heinersdorff-Konzerte sein neues Album „The Handel Project“ vorstellt. Der Sohn eines Ingenieurs und einer Kalligraphin gab sein erstes öffentliches Konzert mit elf Jahren, studierte in Paris bei Michel Béroff, gewann 2015 den Chopin-Wettbewerb in Warschau, ist seit 2016 Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon und lebt seit sechs Jahren in Berlin.

Cho erzählt von harter Konkurrenz während der Ausbildung, erinnert aber auch daran, dass koreanische Männer vom Militärdienst befreit werden, wenn sie einen Wettbewerb gewinnen. Zudem genießt klassische Musik in Korea einen hohen Status. Während erstaunlich viele Europäer bereit sind, das Konzertleben für überholt und rückständig zu erklären, wird es in Südkorea gehegt und gepflegt. Das Publikum ist jung und enthusiastisch. In Satellitenstädten werden ganz selbstverständlich Musikschulen und Konzertsäle gebaut. Oft wird gleich ein ganzes Sinfonieorchester für die neu entstandene Bühne gegründet.

Gebetsmühlenartig wiederholen manche Medien, dass Cho in seiner Heimat „gefeiert werde wie ein Popstar“. Er selbst weist diese Formulierung zurück. Gewiss, der Rummel sei nach dem Sieg beim Chopin-Wettbewerb groß gewesen. Es ist eine verkehrte Welt: Während Cho in Interviews am liebsten über Musik sprechen möchte, fragen ihn viele hierzulande als erstes nach der südkoreanischen Netflix-Serie „Squid-Game“.

Dabei lohnt es sich, über die vielen Qualitäten dieses Pianisten zu reden. Über seinen feinfühligen Zugriff auf die Tastatur, der bei Bedarf auch wuchtig, sogar stählern werden kann. Über sein Stilempfinden, das die Komponisten, denen er sich zuwendet, nicht entstellt. Er kann sich den Miniaturen Debussys mit der gleichen Kompetenz nähern wie der h-Moll-Sonate von Franz Liszt mit ihren diabolischen Abgründen und frenetischen Steigerungen.

Von interessanter Bandbreite zeugt auch das Programm, mit dem Cho jetzt in Düsseldorf gastiert. Der Suite Nr. 5 von Georg Friedrich Händel lässt er die „Chaconne“ der nahe Hamburg lebenden, nunmehr 91-jährigen russischen Komponistin Sofia Gubaidulina folgen. Von Johannes Brahms spielt er die Variationen und Fuge B-Dur über ein Thema von Händel sowie eine Auswahl aus den Klavierstücken op. 76. Den Schlusspunkt setzt er mit den „Symphonischen Etüden“ von Robert Schumann, die ebenso prachtvoll wie eigenwillig zwischen Melancholie und Euphorie schwingen.

Mit vielen berühmten Orchestern hat Cho bereits als Solist gespielt, unter ihnen das Orchestre de Paris, das Philadelphia Orchestra, das Philharmonia Orchestra London und die Berliner Philharmoniker. Dass es für einen Koreaner leicht sei, in Europa Karriere zu machen, findet er übrigens nicht. Es gebe auf dem Kontinent so viele gute und große Musiker, dass es die asiatischen Pianisten hier nicht unbedingt brauche. Cho geht pragmatisch damit um: Man müsse halt umso besser sein.

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