„Savage Love“ Sommerhit mit Vitamin-D-Mangel

Düsseldorf · Der Song mit dem Titel „Savage Love (Laxed - Siren Beat)“ soll der Soundtrack des Sommers sein. Es passt zu einem Jahr, in dem der Wurm drin ist.

Die Plattform TikTok brachte sie zusammen: Jason Derulo (l.) und Jawsh 685.

Die Plattform TikTok brachte sie zusammen: Jason Derulo (l.) und Jawsh 685.

Foto: dpa/David.Strbik

Ach, dieses an Vitamin-D-Mangel leidende Lied ist doch gar kein richtiger Sommerhit, es mutet so karibisch an wie Ananas aus der Dose. Aber vielleicht kann der Song gar nichts dafür, es liegt einfach an diesem Jahr, da ist der Wurm drin. „Savage Love (Laxed - Siren Beat)“ von Jawsh 685 x Jason Derulo soll jedenfalls der Sommerhit 2020 sein, das behauptet zumindest das Marktforschungsunternehmen GfK, das diesen Ehrentitel regelmäßig vergibt.

Es war sicher schon mal leichter, das Stück zu finden, das angeblich alle vor sich hin summen, wenn sie zum Strand gehen, im Taxi zum Flughafen sitzen oder in der Bar unter Palmen. 2017 zum Beispiel, da stand „Despacito“ von Luis Fonsi und Daddy Yankee vier Monate auf Platz eins der amerikanischen Charts. Oder im vergangenen Jahr, da fraß sich ein Hit noch beim Einschlafen in der Ferienwohnung ins Hirn: „Senorita“ von Shawn Mendes und Camila Cabello.

Aber 2020? Ganz viele machen Urlaub daheim, in der Zeitung liest man häufiger von Remdesivir als von El Arenal, und bei dem Ausdruck „zweite Welle“ denkt man nicht mehr zuerst ans Surfen. Folgerichtig, dass der Sommerhit nicht einfach „Bella Ciao“ heißt, sondern einen kryptischen Titel trägt, der mehr nach Computerwurm denn nach Ohrwurm klingt: „Savage Love (Laxed - Siren Beat)“.

Der Fall ist denn auch kompliziert. Seinen Ursprung hat das Lied nämlich in Neuseeland, genauer in Auckland. Dort lud der damals 17-jährige Joshua Christian Nanai, der sich Jawsh 685 nennt, im vergangenen Jahr ein Instrumental bei Youtube hoch. „Laxed - Siren Beat“ hatte er seine Komposition genannt, leider interessierte sich niemand für sie. 2020 veröffentlichte er 14 Sekunden davon auf der Plattform TikTok, und dann ging es los.

Zu dem Soundschnipsel wurde eine Challenge gestartet, ein Wettbewerb: TikTok-Nutzer präsentierten sich dazu in folkloristischer Kleidung ihrer jeweiligen Heimatländer, dann verwässerte das Ganze, man tanzte einfach zum Stück, Kleidung egal. Als selbst Prominente wie Fußballer Robert Lewandowski einstiegen, war das Lied im Grunde schon ein Hit. US-Popstar Jason Derulo benutzte es denn auch als Gerüst für einen neuen Song, er nannte den Urheber allerdings nicht, dagegen wehrte sich Jawsh 685. Derulo nahm dessen Namen also mit auf die Single, in Klammern steht nun auch der Titel des Originals dort, und Jawsh 685 hat inzwischen einen Plattenvertrag. Die Geschichte bestätigt neuerlich, dass bei TikTok die Hits gemacht werden. „Toosie Slide“ von Drake etwa existierte zunächst als Tanz auf der Plattform, das Lied entstand erst im Anschluss.

Vielleicht darf man „Savage Love“ gar nicht als Symptom eines verkorksten Sommers betrachten. Man könnte es auch als gutes Zeichen werten. Zuletzt klangen Hits, als sehnten sie sich nach fernen Zeiten; die Lieder von Dua Lipa und Lady Gaga mit ihrem 80er-Jahre-Flair vermitteln diesen Eindruck. Dass ein Stück nun mittels Dancehall-Anleihen Sehnsucht nach fernen Ländern zum Ausdruck bringt, also Lust auf die Welt und die Gegenwart hat, könnte doch Mut machen.

So gesehen ist „Savage Love“ gar nicht schlecht.

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