Weltbestseller von Frank Schätzing "Der Schwarm" im TV – seichtes Gewässer statt Tiefsee

Düsseldorf · Lange musste Frank Schätzings Weltbestseller „Der Schwarm“ auf seine Verfilmung warten. Nun ist daraus eine Serie geworden. Und mit der dürften manche Fans des Buchs ein Problem haben.

 Die geschundene Natur rächt sich am Menschen: Szene aus „Der Schwarm“.

Die geschundene Natur rächt sich am Menschen: Szene aus „Der Schwarm“.

Foto: dpa/Staudinger + Franke

Noch bevor die meisten Menschen überhaupt eine Sekunde von dieser Serie sehen konnten, gab es einigen Aufruhr um „Der Schwarm“. Frank Schätzing, der Autor der Romanvorlage, hatte seine Mitarbeit an dem Projekt aufgekündigt und in einem „Zeit“-Interview erzählt, dass er die Produktion stellenweise als „weichgespült“ empfinde: „Es pilchert mehr, als es schwärmt.“ Nun gab es schon andere Schriftsteller, die mit filmischen Adaptionen ihrer Werke unzufrieden waren. Von Stephen King weiß man, dass er Stanley Kubricks Anverwandlung von „Shining“ nicht leiden kann. Aber ist der Klassiker mit Jack Nicholson deshalb ein schlechter Film?

Man war also gespannt, wie die Serie denn nun wirklich ist. Inzwischen stehen die ersten drei Folgen in der ZDF-Mediathek bereit. Und wer sie gesehen hat, mag denken: Frank Schätzing ist näher an Stephen King als „Der Schwarm“ an „Shining“. Einfacher ausgedrückt: Die Serie ist echt nicht so gut. Aber eben auch nicht total schlecht. Seichtes Gewässer statt Tiefsee, rumdümpeln statt volle Kraft voraus.

Das ist ein enorm ambitioniertes Projekt. Schätzings 2004 erschienener und rund 1000 Seiten langer Roman ist ein Weltbestseller, er hat sich sechs Millionen Mal verkauft. Schon früh wurde über eine Hollywood-Verfilmung gemunkelt, Ridley Scott galt als Kandidat für die Regie. Dann hörte man, die Schauspielerin Uma Thurman habe sich die Rechte gesichert. Aber es kam nichts, vielleicht merkten die Produzenten, dass dieser Stoff sehr viel Aufwand erfordert: häufige Schauplatz-Wechsel, wissenschaftliche Theorien, großartige Bilder, völlige Überwältigung.

Das sind die elf erfolgreichsten Netflix-Serien​
12 Bilder

Das sind die elf erfolgreichsten Netflix-Serien

12 Bilder
Foto: dpa/Cr. Courtesy

Unter Federführung des ZDF ist „Der Schwarm“ jetzt in internationaler Koproduktion in acht Teilen zu je 45 Minuten umgesetzt worden. Budget: 44 Millionen Euro. Das Thema ist brandaktuell: Das Gedankenspiel mit einer Natur, die sich am Menschen rächt, geht in Zeiten, da die Folgen des Klimawandels so offensichtlich zutage liegen, besonders nahe.

Die Serie beginnt genau damit. Forscher beobachten rätselhafte Meeresphänomene. Attacken von Orcas, gefräßige Eiswürmer, böse blickende Wale und mörderische Fischschwärme. Es gibt einige tolle Bilder: gewaltige Meeressäuger unter nussschalengroßem Bötchen, über dem Bötchen, danach nur noch Meeressäuger und kein Bötchen mehr.

Oscars 2024: Alle Nominierungen in den wichtigsten Kategorien
17 Bilder

Das sind die Oscar-Nominierungen 2024

17 Bilder
Foto: dpa/-

Das sieht gut aus, und das Problem der Serie liegt denn auch woanders: Sie ist bieder. Man denkt doch: Wenn schon Armageddon, dann bitte mit Pauken und Trompeten. Und Schätzings Buch böte ja genug Gelegenheiten, den Text in abseitige Bilder zu übertragen, in etwas Unerhörtes. Man geht klüger aus dem Roman heraus, staunend auch. Was von den ersten Episoden bleibt, ist indes der Wunsch, im nächsten Urlaub doch vielleicht auch mal auf die Shetlandinseln zu reisen oder nach Vancouver Island. Alles so pittoresk dort.

Die Figuren haben von Beginn an so etwas Betroffenes, Mutloses. Mit denen kommt man nicht heil durch die Dystopie. Die von Leonie Benesch gespielte Nachwuchs-Forscherin Charlie Wagner etwa sagt über sich, sie „versucht“, ihre Doktorarbeit zu schreiben. Man wünschte sich da mehr Draufgängertum: Gehe nicht über Los, sondern direkt in die C4-Professur! Es wird auch viel geraunt. Beispiel: Ein Orca liegt am Strand, übersät mit eigenartigen Scharten. Sagt jemand: „Ob das Bissspuren sind?“ Entgegnet ein anderer: „Was sollte einen Orca beißen?“ Denkt das Publikum: OMG! Danach: düstere Musik.

Die Musik wird überhaupt recht großzügig und dramatisch über die Bilder gegossen. So kontinuierlich, dass man sich an die Hab-acht-Stimmung bald gewöhnt. Bei „Der weiße Hai“ war das im besten Sinne stressiger: Anspannung, Entspannung, Anspannung. Dieser Film ist übrigens von 1975.

Die Besetzung ist jung und divers, unter anderem spielen Cécile de France, Barbara Sukowa, Oliver Masucci und Klaas Heufer-Umlauf in „Der Schwarm“. Sie haben viel zu tun, denn auch im Angesicht des Weltuntergangs mag der Mensch seine Alltagsprobleme nicht links liegen lassen. Kinder klagen, „immer lässt Papa uns alleine“. Und obwohl gerade Wissenschaftlern klar sein dürfte, dass eine Beziehung bei diesen maritimen Entwicklungen keine Zukunft haben wird, nutzen sie die Labors zum Flirten. Und zwar so, wie man im Labor halt flirtet: „Eiswürmer reproduzieren extern. Uns ist keine Art bekannt, die sich so schnell fortpflanzt, dass sie in nur wenigen Tagen ein Gebiet dieser Größe besiedeln kann. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir es mit einer neuen Art zu tun haben. Und wenn das zutrifft, dann nenne ich sie nach dir.“

Apropos: die Dialoge. Eine Frau und ein Mann begegnen einander. Sie: „Sie sind, ähm, Walforscher?“ Er: (nickt schwermütig) „Und Sie?“ Sie: „Sie sehen da raus (zeigt aufs Meer). Ich nach da oben (zeigt zum Himmel).“ Er: „Astronomin?“ Sie: „Astrophysikerin.“

Vielleicht muss man gar nicht alles auf die Goldwaage legen. Man wird schon gut unterhalten von „Der Schwarm“. Trotzdem bleibt da die mit Frank Schätzing geteilte Enttäuschung über all die verpassten Möglichkeiten, die diese immer dringlicher wirkende Romanvorlage geboten hätte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort