"Der Schrei" im Schatten der Nazi-Zeit

New York/Oslo Der Termin für die Versteigerung der Pastell-Version von Edvard Munchs Gemälde "Der Schrei" war für 19 Uhr New Yorker Ortszeit angesetzt, lag also in der Nacht zum heutigen Tag. Wie "Die Welt" gestern berichtete, waren die Erben des einstigen, jüdischen Besitzers dieses Bildes nicht mit dem Verkauf einverstanden. "Wir meinen, es ist eine wichtige moralische Angelegenheit, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren", sagte Rafael Cardoso der Zeitung.

Der in Brasilien lebende Kunsthistoriker ist der Urenkel des Vorbesitzers Hugo Simon und gemeinsam mit seiner Mutter und einem Bruder einer der drei verbliebenen Nachfahren. Von Simon hatte Thomas Olsen, Vater des bisherigen Besitzers Petter Olsen, das Gemälde in Deutschland erworben – unter Umständen, die jetzt Kritik auf sich ziehen.

Denn der jüdische Bankier Simon floh 1933 vor den Nazis als politisch Verfolgter nach Paris. Den "Schrei" ließ er über die Schweiz und Schweden in die Sammlung Olsen verkaufen – unter wirtschaftlichem Zwang und damit vermutlich unter Wert.

Cardoso zufolge bot Petter Olsen Anfang dieses Jahres den Simon-Nachkommen 250 000 Dollar an für den Fall, dass sie sich mit der Versteigerung einverstanden erklären. Denen aber war diese Summe zu niedrig.

Ein Fall für die Gerichte ist die Versteigerung offenbar nicht, denn selbst Cardoso gesteht ein, dass es juristisch nichts zu beanstanden gebe: Olsen habe das Bild rechtmäßig erworben. Und das Auktionshaus Sotheby's verweist darauf, dass es die Liste der Vorbesitzer zuvor veröffentlicht habe.

Es geht also in dieser Auseinandersetzung vor allem um Moral – und spürbar auch um Geld.

(RP)
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