Roger Cicero Der Mann, der Lust auf Jazz machte

Düsseldorf · Der Sänger Roger Cicero ist an den Folgen eines Hirninfarkts gestorben. Der 45-Jährige, der stets Anzug und Hut trug, war der erfolgreichste deutsche Jazzmusiker. Mit Vorliebe sang er über die Unterschiede zwischen Mann und Frau.

Nun ist Roger Cicero gestorben, einfach so, und das erste, was einem einfällt, ist die Frage: Wie alt war er eigentlich? Denn das ist ja das Tragischste - so tragisch es auch immer ist, wenn jemand stirbt -, Roger Cicero wurde nur 45 Jahre. Die Nachricht haut einen umso mehr um, weil das, wie man so sagt, kein Alter ist, und auch weil dieser Roger Cicero schon eine solche Karriere hingelegt hat und noch so viel vorhatte, dass es schier unglaublich ist, dass es das jetzt war.

Roger Cicero war zuletzt auf Werbetournee für sein neues Album und die gleichnamige Konzertreihe "Cicero Sings Sinatra". Er hatte sich die Klassiker des großen Frank Sinatra vorgenommen und teilweise ins Deutsche übertragen. Bei Cicero wurde aus "Fly me to the moon" das deutsche "Schieß' mich doch zum Mond". Und weiter: "Lass' mich los und sag das war's / oder war das wieder nur ein Sturm im Wasserglas?"

Das war sein Thema, diese Beziehungskisten. Cicero erzählte Männer-und-Frauen-Geschichten, in denen das Personal zuweilen Comicfiguren glich. Sie waren zum Klischee überzeichnet. Seine Alben hießen "Männersachen" und "Beziehungsweise"; für das Plattencover von "Artgerecht" ließ er sich mit Gockel auf dem Arm ablichten. Im Titelsong "Nicht artgerecht" wollen die Männer Sportschau gucken und im Hobbykeller basteln. Aber das dürfen sie natürlich nicht, weil da die Ehefrauen oder Freundinnen sind, die alles im Griff haben und die Schwiegermutter natürlich auch. Roger Cicero war der Mann, der Männer und Frauen verstand.

Natürlich stieß das auf Kritik. Für sein Macho-Gehabe und den Song "Frauen regier'n die Welt", den Roger Cicero 2007 beim Eurovision Song Contest aufführte, zeichnete ihn die Zeitschrift "Emma" als "Pascha des Monats" aus. Dass sich dieser Cicero als "Sammler, Jäger und guter Ernährer" geriere, so wie er in seinem ersten großen Hit "Zieh die Schuh aus" sang - "sowas" könne heutzutage jawohl niemand mehr ernst meinen, außer vielleicht Dieter Bohlen, befand die "Emma"-Redaktion.

Er nehme die Auszeichnung nicht ernst, antworte Cicero, und seine Texte seien überdies auch nicht komplett ernstzunehmen, stellte er klar. Beim Song Contest in Helsinki landete er auf Platz 19 von 24. Die Empörung darüber habe ihn hierzulande erst richtig bekannt gemacht, sagte er später. Er nahm sechs weitere Alben auf, die sich Millionen Mal verkauften. Cicero schien seine Zielgruppe erst erfunden zu haben. Er brachte einem Publikum den Jazz bei, das damit zuvor nichts am Hut hatte.

Roger Cicero wurde 1970 als Sohn des Jazz-Pianisten Eugen Cicero geboren. Als Elfjähriger stand er erstmals auf der Bühne und trat im Vorprogramm der Chansonsängerin Helen Vita auf. Später studierte er in den Niederlanden Musik, trat mit Bigbands auf und einem Quartett, das seinen Namen trug. Schließlich lernte er die Produzenten Matthias Haß und Frank Ramond kennen, die ihm 2006 sein erstes Soloalbum "Männersachen" einrichteten. Die Platte landete vorne in den Hitparaden, so wie jede weitere.

Roger Cicero spielte jetzt so erfolgreich Swing und Jazz wie sonst kein anderer in Deutschland. Jahrelang ließ er sich von einer Bigband begleiten. Das klang nach Musik aus einer ganz anderen Zeit. Zuletzt wurde Cicero leichtfüßiger und trat wieder häufig im Quartett auf. Für seine Sinatra-Reihe dann ließ er aber lieber wieder die Fanfaren blasen.

So berühmt wie für seine Musik war Roger Cicero für seine Auftritte. Er trug stets Anzug, Hut und Lackschuhe. Einmal erzählte er, dass er einfach die Kopfbedeckung abnehme, wenn er beim Brötchenholen nicht erkannt werden wolle. Bei einem seiner letzten Konzerte, das in seiner Heimatstadt Hamburg stattfand, bat Cicero, doch bitte nicht im Takt zu klatschen, sondern mitzuschnipsen. Für die Show ließ er die Bühne mit einer Showtreppe ausstaffieren. Er war dem leichten Unterhaltenden stets näher als der ernsten Musik. Das schien dem Entertainer auch ganz recht so.

Und jetzt das: Hirninfarkt - war gestern auf der Facebook-Seite des Sängers zu lesen, das kam völlig überraschend. Nach einer Reihe von Fernsehauftritten hätten sich plötzlich die Symptome des Infarkts gezeigt, teilte sein Management mit. Der Zustand des Musikers habe sich infolge des Anfalls rapide verschlechtert.

Bei einem Hirninfarkt, der eine Form des Schlaganfalls ist, wird ein Blutgefäß verstopft, das schränkt die Sauerstoffversorgung des Gehirns ein. 270.000 Menschen in Deutschland haben der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zufolge jedes Jahr einen Schlaganfall. Jeder fünfte Patient überlebe das nicht. Cicero soll nach dem Hirninfarkt gar nicht mehr zu Bewusstsein gekommen sein.

Dabei war der Musiker doch gerade erst dabei, sich wieder aufzurappeln. Im Herbst des vergangenen Jahres musste Roger Cicero wegen eines akuten Erschöpfungssyndroms mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung alle Termine absagen. In den vergangenen Wochen war er zurückgekehrt. Er hatte sich seinen Anzug zurechtgerückt, den Hut aufgesetzt und bei seinem letzten Auftritt im Bayerischen Fernsehen gar ein weiteres Album angekündigt. Er stand kurz vor einer großen Tournee. In der kommenden Woche wollte er mit dem Sinatra-Programm zum Beispiel in Düsseldorf auftreten. Doch dann musste er erneut ins Krankenhaus. Wie jetzt bekannt wurde, starb er bereits am Donnerstag.

(kl)
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