Porträt Farben können sprechen

Der Düsseldorfer Maler und ehemalige Akademieprofessor Ulrich Erben vollendet am Donnerstag sein 80. Lebensjahr.

 Ulrich Erben in der Galerie Strelow.

Ulrich Erben in der Galerie Strelow.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Noch immer arbeitet er Tag für Tag in seinem Atelier. Doch was er dort an der Kaistraße im Düsseldorfer Medienhafen hervorbringt, kann er kaum in Worte fassen. Kunst und Musik richten sich nun einmal am Verstand vorbei unmittelbar ans Gemüt. Erst recht ungegenständliche Bilder, wie Ulrich Erben sie malt. Am Donnerstag wird der gebürtige Düsseldorfer, der von 1980 bis 2005 Professor für Malerei in Münster war, 80 Jahre alt.

„Für Selinunt“, „Membran“, „Pariserblau/Interieur“, „Open Air“ und „Farben der Erinnerung“ – so lauten Titel seiner Bilder. Es sind Verbindungen von Farben und Geometrie, oft monochrome Arbeiten in Blau- oder Weißtönen. Ja, auch Weiß hat viele Gesichter, und das geometrische Spiel mit seinen Nuancen beweist: Farben können sprechen. Ulrich Erben verdichtet in seinen Kompositionen Erinnerungen. Worauf sie sich beziehen, das erschließt sich Betrachtern mit ein wenig Glück, wenn sie sich darauf einlassen. Oder man entdeckt in den Bildern eigene Seh-Erlebnisse von einst.

Nur ganz selten ist der Künstler so konkret geworden wie in einer Druckgrafik, mit der er sich 1994 an dem von Klaus Staeck ausgerufenen Projekt „Flagge zeigen“ beteiligte: Eine schwarz-rot-goldene Fahne ist aus dem Lot geraten, die Farben verfließen ineinander, „Brandgefahr“ steht darunter. Die Aktion wandte sich früh gegen Gewalt, Fremdenhass und Rechtspopulismus. Typisch ist diese Grafik für Erbens Schaffen nicht.

Sein Lebensweg führte ihn aus der Jugend am Niederrhein zunächst nach Rom, wohin die Familie übersiedelte, dann in die Welt hinaus an die Kunstakademien in Hamburg, Urbino, Venedig, München und Berlin, schließlich nach Paris und New York und auf eine Reise durch Syriens Wüsten. Nach einem ersten Aufenthalt in New York 1957 mündeten frühe Landschaften und Stillleben in geometrische Formen, ab­strahierte Landschaften wurden zum Träger von Erinnerungen.

„In New York ist das gekippt“, so denkt Erben zurück. Figürlichkeit, so stellte er fest, „gab nicht mehr das wieder, was mich an einem Motiv interessierte“. Fortan fing er die Aura der Metropole in Geometrie und Farben ein. 1968 entstanden erste „Weiße Bilder“: jeweils eine weiße Zone in der Mitte des Bildes, die sich von einem matteren, ebenfalls weißen Grund abhebt. Bildung von Raum ohne Perspektive war das Ziel.

Zu Beginn der 1970er Jahre kamen Wandbilder und Fotografie hinzu, 1977 waren auf der Documenta 6 in Kassel erste farbige, fast monochrome Arbeiten zu sehen. Das Thema Raum gewann an Bedeutung. Da lag es nahe, auch architektonisch tätig zu werden. Von 1993 an schuf Erben Wandgestaltungen für öffentliche Gebäude, unter anderem in Hannover, Essen und Stuttgart. In Berlin gestaltete er für die Zentrale des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands mit Farbe und Glas den großen Innenhof. „Mir ging es dabei immer um eine Bereicherung der Architektur“, betont Erben, doch Malen bilde bis heute den Schwerpunkt seiner Arbeit.

Ohne Licht ist Farbe nichts. Unter südlicher Sonne, in Rom und Venedig, entwickelte Erben ein Gespür für Licht, auf seiner Reise durch Syrien lernte er 2007 ein anderes Licht kennen: „hemmungslos, es ist selbst da, wo Schatten ist“. Was er auf seinen Fahrten von Damaskus aus erlebte, schildert er so: „In jeder Richtung fährt man in die Wüste, jedes Mal in ein anderes Licht.“ Die Bilder, die seitdem entstanden, seien ohne diese Erlebnisse nicht denkbar.

Erstmals zeigte Erben die Farben Syriens vor zehn Jahren im Museum Kurhaus Kleve: 2,30 mal 1,70 Meter messende Arbeiten in Beige, Weiß, Grau, Braun und Blau, starke monochrome Flächen in verschiedenen Tönen, die von einem breiten Rahmen einer verwandten Farbe gefasst sind. Wo Rahmen und Fläche aufeinandertreffen, flirrt die Farbe wie am Horizont der Wüste. Bilder mit dem Sammeltitel „Festlegung des Unbegrenzten“ gingen daraus hervor, Arbeiten zwischen immaterieller Bewegung und lichthafter Ruhe.

Ulrich Erbens Arbeit geht weiter und wird nur kurz unterbrochen von der Geburtstagsfeier: in kleinstem denkbaren Kreis allein mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Ingrid Bachér, wegen des Coronavirus ohne die Enkelkinder. „Für viele Künstler – und nicht nur sie – ist die derzeitige Bedrohung natürlich schlimm“, sagt Erben. Doch zugleich atme er ein wenig auf: keine Verpflichtungen durch Ausstellungen wie zuletzt in Italien, kein Messebesuch: „Für mich selbst bin ich sehr froh darüber. Ich kann einfach nur an meine Arbeit denken.“

Der Künstler, der einst zur Blütezeit der Pop-Art die Fahne der Ungegenständlichkeit hochhielt, wird weiterhin pendeln zwischen den Orten Düsseldorf, Goch und Bagnoregio.

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