Installation in Köln Gerhard Richter vertritt Rubens

Düsseldorf · Der berühmteste deutsche Künstler der Gegenwart hat in der Kölner Kirche St. Peter sein Werk „Grauer Spiegel“ aufgehängt. An dieser Stelle hängt sonst ein großformatiges Gemälde von Peter Paul Rubens.

 Werk von Gerhard Richter in St. Peter zu Köln.

Werk von Gerhard Richter in St. Peter zu Köln.

Foto: Kunst-Station Sankt Peter Köln / Chris Franken

Gerhard Richter lässt sich nicht lange bitten. Wenn eine gemeinnützige Organisation anfragt, ob sie ein paar Drucke zur Versteigerung zugunsten Obdachloser bekommen könne oder eine Kirche um eine Leihgabe nachsucht  – stets ist der inzwischen 88-jährige, in Köln arbeitende Maler, Objektkünstler und Menschenfreund unentgeltlich zur Stelle, falls ihn das Vorhaben überzeugt. Jetzt hält er der Kölner Kunststation St. Peter einen „Grauen Spiegel“ vor.

Das ist eine quadratische Glasscheibe von 2,28 Meter Kantenlänge, auf der Rückseite grau eingebrannt. Vier solcher Scheiben sind zurzeit in einer Ausstellung des New Yorker Metropolitan Museum of Art zu sehen, als Beispiel für „Malerei nach allem“. Schon seit den 60er Jahren befasst sich Richter mit dem Thema Spiegel, und wenn man es recht betrachtet, sind seine Spieglein an der Wand sogar der Schlüssel zu seiner Kunst.

Sie sollen keine Antwort darauf geben, wer die Schönste im ganzen Land sei, und sie sind auch eher ausgewachsene Spiegel von erheblichem Gewicht. Das Exemplar in St. Peter bringt 180 Kilogramm auf die Waage. Wo Richter es hat aufhängen lassen, rechts neben dem Altar, vertritt es ein ebenfalls 2,28 Meter breites, hochformatiges Gemälde von Peter Paul Rubens: „Kreuzigung Petri“, eine dramatische Szene, in der unerbittlich kräftige Männer Petrus kopfüber ans Kreuz schlagen. Rubens‘ Spätwerk aus den Jahren 1638/40, ein Hort theologischer Anspielungen, ist kürzlich für die Öffentlichkeit unzugänglich auf die Empore gehievt worden und wartet dort auf seine Restaurierung.

Bei diesem befristeten Ortswechsel der Kunstwerke drängt sich die Frage auf, was beiden gemein ist. Richter, so räumt Guido Schlimbach als Kurator ein, hat sich dazu nicht geäußert. Doch fällt es leicht, den Zusammenhang aus seinem Lebenswerk zu lesen. In dessen Mittelpunkt steht der Zweifel daran, dass, was wir sehen, tatsächlich die Wirklichkeit ist. Sind wir in unserer Wahrnehmung nicht Gefangene von Raum und Zeit?

Schon Platon und Kant haben sich damit herumgeschlagen. Richters „Grauer Spiegel“ stellt diese Frage, indem er nur scheinbare Abbilder erschafft. Ebenso stellt Rubens‘ Gewaltorgie Schlimbach zufolge die Frage nach der Wahrnehmung. Denn anatomisch besehen ist das Aufrichten des Kreuzes mit dem daran baumelnden Petrus unmöglich. Dahinter verbirgt sich eine spirituelle Wahrheit, die jeder Betrachter für sich erschließen muss.

Warum ein bedeutender Rubens in der architektonisch nicht ganz so bedeutenden Kirche St. Peter hängt, das ist eine Geschichte für sich. Er verbrachte die ers­ten zehn Jah­re sei­nes Le­bens in Köln, wo­hin sei­ne aus Ant­wer­pen stam­men­den El­tern 1568 emi­griert wa­ren und von wo er nach dem Tod seines Vaters mit seiner Familie nach Antwerpen zurückzog. In St. Peter wurde er vermutlich getauft, in der Nachbarschaft wuchs er auf. So haben nicht nur seine Geburtsstadt Siegen und Antwerpen als Ort seines Aufstiegs Anlass, ihn in Ehren zu halten, sondern auch auf halber Strecke Köln, wo sein Interesse an Kunst erwachte.

Info Richters „Grauer Spiegel“ ist in St. Peter (Jabachstraße 1) vom 14. Mai bis Mitte November zu sehen; mittwochs bis sonntags von 12 Uhr bis 18 Uhr; im Juli 2020 geschlossen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort