Buchkritik Der gnadenlose Kampf um die Ukraine

Ist der Ukraine-Konflikt nur das Musterbeispiel eines Regionalkonflikts im Übergang vom unilateralen zum multilateralen Weltsystem? Darum kreisen die Beiträge im Sammelband "Kampf um die Ukraine", der vom Direktor des Instituts für Theologie und Frieden in Hamburg, Heinz-Gerhard Justenhoven, herausgegeben wurde.

Eine klare Antwort gibt der Band nicht. Die ersten Teilantworten sind allerdings hochinteressant, da sie Ausblicke auf die weiteren Veränderungen bieten. Allerdings tauchen sie verstreut über die verschiedenen Beiträge auf, die sich um Themen wie "Ringen um individuelle und politische Selbstbestimmung", "(Geo-)politische Perspektiven und Interessen" sowie "Wege aus der Krise?" gliedern.

Die Befunde: Das Völkerrecht weicht dem Primat der Machtpolitik, Einflusssphären werden wichtig, und die gewaltsame Abtrennung der Krim durch Russland wird lange nicht, wenn überhaupt, rückgängig zu machen oder zu lösen sei.

Bemerkenswert sind die beiden Aufsätze zur amerikanischen Russland- und Ostpolitik sowie der Beitrag Stefan Oeters, Mitglied des Ständigen Schiedshofs in Den Haag, zum Völkerrecht. Danach hat die Entwicklung der Lage im postsowjetischen imperialen Raum eine lange Vorgeschichte, die durch die inneramerikanische Entwicklung nach den Anschlägen des 11. September 2001 stark beeinflusst wurde. Umso bedauerlicher ist es, dass der Band weder einen Beitrag über die deutsche Russlandpolitik noch über die fragwürdige Ostpolitik der EU enthält. Stattdessen enthält er einen äußerst problematischen Beitrag über Migrationskrisen, bei der die krisenbedingten "Binnenwanderungen" in der Ukraine und Russland mit der illegalen Einwanderung nach Europa gleichgestellt werden, um den Bedeutungsverlust des Nationalstaats zu beweisen.

Ein bisschen Potpourri enthält der Sammelband angesichts des höchst unterschiedlichen Niveaus der einzelnen Beiträge. Der Laie erhält kaum Orientierung. Für den außenpolitischen Experten ist es dagegen eine Fundgrube, wenn er einzelne Bruchstücke zu einem eigenen Blick auf die Entwicklung zusammensetzt.

Heinz-Gerhard Justenhoven: Der Kampf um die Ukraine. 2018, Nomos, 240 S., 44 Euro

(RP)
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