Eine „Friedensintervention“ des Düsseldorfer Künstlers Aljoscha Mit Kunst gegen den Ukraine-Krieg
Düsseldorf · „Friedensintervention“ nennt der ukrainische Künstler Aljoscha seine Überraschungsbesuche mit Kunst im Kriegsgebiet. Er lebt in Düsseldorf und brachte jetzt gemeinsam mit seiner Frau Werke in Internate seine Heimat.
Verminte Landschaften, Bombenalarm und Straßenpatrouillen, die zitternd mit Kalaschnikows auf sie zielen: Es gibt anscheinend keine Hindernisse, die Aljoscha und Natascha aufhalten können, wenn sie Kunst in der Ukraine bringen möchten. Der ukrainische Künstler stieg mit seiner Frau in Düsseldorf ins Auto und machte sich vor wenigen Wochen über Ungarn auf den Weg in Richtung Kiew. „Wir wollten das Gegenteil von Hass und Misstrauen bewirken, Hoffnung und Schönheit dahin bringen, wo Menschen immer schon – und jetzt erst recht – am Rande der Gesellschaft leben, sich aufopfern“, sagt Aljoscha.
Auf gut Glück fuhr er mit Ehefrau Natascha los. In den Kofferraum hatten sie bereits fertige Werke aus Acrylglas geladen, aber auch Material, um unterwegs weitere anzufertigen. Es gelang ihnen, die Grenze zu überqueren. Mithilfe des Internets ging’s nun kreuz und quer durch die Ukraine auf die Suche nach Schulen und Kultureinrichtungen, um die farbigen Installationen in den Räumen aufzuhängen. „Aber alles war geschlossen oder von Militärs besetzt – bis auf Internate, in denen viele Waisen wohnen, oder Einrichtungen für kranke oder alte Menschen, die das Land nicht verlassen können“, erzählt der Künstler.
Er klopfte dort an die Türen und lockte bei seinen Überraschungsbesuchen manchen verschreckten Internatsleiter aus dessen Versteck hervor. Niemand wusste von der Aktion. „Friedens-Intervention“ nennt sie Aljoscha. Er und Natascha bekamen nicht nur viele überraschte Kommentare wie „Ihr seid verrückt“ zu hören – immer wieder galten die beiden auch als verdächtig: „Ein verantwortlicher Direktor meldete uns dem ukrainischen Geheimdienst, der uns daraufhin verfolgt hat.“
Meist wurden die unerwarteten Gäste jedoch willkommen geheißen, und mancher Leiter einer Einrichtung wetteiferte mit seinen Kolleginnen und Kollegen darum, wo der richtige Platz für die Werke sein sollte. Aljoscha: „Die altbekannten Unterrichts- oder Aufenthaltsräume wurden plötzlich zu besonderen Plätzen, wo etwas Alienartiges und Offen-Geheimes stattfindet. Unbekümmert und spontan vergaben die Leute selbst auch Titel wie ,Die Hoffnung‘.“ Kunst-Nachschub wurde nachts im Hotel produziert und später auf der Straße eingefärbt.
30 Häuser mit Kindern, Alten, psychisch labilen Menschen oder gar ehemaligen Schwerverbrechern und ihren Betreuern besuchte das Ehepaar. In 14 Einrichtungen durften sie installieren und seltene Fotos von den Bewohnern machen, die dort unter teils menschenunwürdigen Bedingungen leben: „In erstem Internat, in dem viele Flüchtlinge untergekommen sind, gibt es einen Waschraum für 250 Leute“, sagt Aljoscha. Das Internat, das er als letztes ansteuerte, lag ganz in der Nähe von Butscha, dem Ort, der durch Massaker Schlagzeilen machte. „Wir hörten Maschinengewehrfeuer in der Nähe, später platzte ein Hinterreifen – wir hatten einen Raketensplitter auf der Straße übersehen.“ Dorfbewohner halfen beim Flicken, und weiter ging die Fahrt nachts durch verminte Landschaften.
Da der Wagen nach der Verteilung der Kunstwerke halb leer war, nahmen Aljoscha und Natascha einen kranken älteren Herrn mit, der zur Behandlung nach Frankreich wollte. Später kam noch eine junge Frau dazu – und nun wurde dem Künstler klar, dass er seine Mitfahrer besser in Sicherheit bringen sollte. Was bleibt und für sich spricht, sind die Werke – und die Blicke der Lehrenden, die Aljoscha und Natascha auf ihrer riskanten Reise trafen, festgehalten in einer beeindruckenden Bilderserie.
Info Aljoscha heißt eigentlich Aleksey Potupin und wurde 1974 in Glukhov in der Ost-Ukraine geboren. Er studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Konrad Klapheck. Weitere Infos zu seiner Aktion unter www.aljoscha.org.