Düsseldorf David Garrett: Geiger mit Charme

Düsseldorf · Der 32-jährige Künstler spielte mit den Festival Strings Lucerne in der Tonhalle.

Was immer man aus Kreisen der seriösen Musikfachwelt an Häme über den geigenden Frauenschwarm David Garrett hört: Sie entbehrt der Stichhaltigkeit. Herr Garrett ist ein exzellenter Geiger mit wachem Stilgefühl, großartiger Technik und reicher Musikalität. Jede Eingruppierung unterhalb dieser Kompetenzstufe ist Unfug und zeugt von Realitätsverlust und Vorurteilen.

Als habe er selbst geahnt, dass er mal Schluss machen müsse mit all den Unklarheiten, ob Show und Kunstsinn vereinbar sind, spielte Garrett jetzt in der Düsseldorfer Tonhalle ein Wahnsinnsprogramm: das g-moll-Konzert von Bruch, das Finale aus Paganinis zweitem Konzert sowie, als sei das alles nicht genug, das Violinkonzert D-Dur von Brahms. Dazu hatte sich der musische Herkules mit schlanker Gestalt, Zopf, Bart und legerer Konzertgarderobe einen Barhocker auf die Bühne stellen lassen. Wie er da so saß, mit ausgeglichenem Körperschwerpunkt und — physiotherapeutisch vorbildlich — angewinkeltem Bein, ruhte er in sich, wappnete sich gegen den Kraftverzehr, konnte mit dem Mikrofon wie vom Tresen zum Publikum plaudern und es in der Gewissheit wiegen, Konzerte mit ihm seien in zeremonieller Sicht niederschwellige Angelegenheiten. Tatsächlich richtete der Künstler einige belanglose Sentenzen ans Publikum, wirkte dabei aber nicht unsympathisch. Sein Gesichtsausdruck beim Spiel war Zeichen der Veräußerlichung von Sinnlichkeit: Bei jeder halbwegs ausdrucksvollen Stelle sah man eine schmerzenstiefe Mimik, als würde einem Fastenden alle paar Minuten ein Löffel mit Johann Lafers weltberühmtem Kürbiscremesüppchen hingehalten. In einigen Momenten glaubte man, Garrett könnte seine Show abschaffen und nur sein Violinspiel wirken lassen: Es ist entzückend. Bei Bruch traf er die Versonnenheit, bei Paganini das Glitzernde, bei Brahms das Glühende. Auch die berüchtigte Kreisler-Kadenz zeigte uns einen integren Mieter im Geigenolymp.

Die Kommunikation mit den Festival Strings Lucerne funktionierte beeindruckend. Dies ist ein überaus wendiges, sehr brillantes Orchester, das mit herrlichen Soli für sich einnahm. Adrian Prabawa erwies sich als meisterlicher Dirigent, der das riesige Programm inklusive zweier Ouvertüren von Glinka und Rossini auswendig absolvierte, stets das richtige Tempo traf, überaus aufmerksam assistierte und Disziplin durch Souveränität erzeugte. So verließ man am Ende die Tonhalle mit dem beruhigenden Gefühl, dass jungenhafter Charme, leicht halbseidene Hochglanzprospekte und dampfende PR-Maschinerie nicht im Widerspruch zur Kunst stehen. Nach jedem Satz gab es enthusiastischen Beifall, sehr zu Recht.

(RP/gre)
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