Neue CD des WDR-Sinfonieorchesters Blühende Klänge aus böhmischen Dörfern

Köln · Das Kölner WDR-Sinfonieorchester wird jetzt 75 Jahre alt. Soben hat es eine eindrucksvolle CD mit Musik von Antonin Dvorák eingespielt.

Christian Macelaru, Chefdirigent des WDR-Sinfonieorchesters.

Christian Macelaru, Chefdirigent des WDR-Sinfonieorchesters.

Foto: Adriane White/WDR

Zu den schönen Momenten im Leben des Orchestermusikers zählen Auslandstourneen. Da darf er mal raus aus der Stadt, darf fliegen und auf fremder Bühne aufblühen, darf erleben, wie sich Menschen anderswo noch euphorisch freuen können, wogegen der rheinische Abonnent für gewöhnlich Beifall im Mezzoforte-Bereich spendet. Zugleich ist ein reisendes Orchester ein Botschafter in der Ferne. Ich hatte einmal das Vergnügen, mit dem WDR-Sinfonieorchester nach Japan zu reisen. Nach dem Konzert in Tokio sagte (auf Englisch) eine entzückende Dame, die mich wegen meines gediegenen Aussehens vermutlich für den Intendanten hielt: „Ich komme immer, wenn ihr Orchester hier gastiert. Es spielt ganz toll.“

Tatsächlich ist das WDR-Orchester das perfekte Aushängeschild für die hiesige Orchesterkultur. Durch die ganze Welt ist es schon gereist, es hat Ehre für NRW eingelegt – und wenn es nun 75 Jahre alt wird, dann lässt mancher Musikfreund großartige Aufführungen Revue passieren. Herbert von Karajan hat es dirigiert, Georg Solti und Claudio Abbado auch, Igor Strawinsky und Karlheinz Stockhausen schätzten seine Reaktionsschnelligkeit, Günter Wand spielte mit ihm seinen maßstabsetzenden ersten Bruckner-Zyklus ein. Leider hat das WDR-Orchester nie wirklich hochrangige Chefdirigenten gehabt, weder Zdenek Macal noch Hiroshi Wakasugi, weder Gary Bertini noch Hans Vonk, weder Jukka-Pekka Saraste noch Semyon Bychkow waren Pultstars aus der ersten Startreihe. Vergleicht man dieses chronische Defizit mit den in der Regel prominenten und hochrangigen Chefs der Radioorchester etwa in München, Hamburg oder Frankfurt, so stand der WDR nie auf der Pole Position, obwohl er es verdient hatte. Immer sagte man: Das Orchester ist halt besser als sein Dirigent.

Seit drei Jahren leitet der Rumäne Cristian Macelaru das Orchester, von ihm geht ein beflügelnder Impetus aus, und soeben hat er mit dem Management ein neues CD-Label angeheuert: Linn Records aus Glasgow, eine Firma für audiophile Leckerbissen. Tatsächlich ist die erste Produktion eine ganz besondere Form der Auslandstournee: Sie führt nach Prag, Böhmen und Mähren, in das Reich der tschechischen Märchen – und ist den kostbaren zehn „Legenden“ für Orchester des Komponisten Antonin Dvorak gewidmet. Das ist allerfeinste Romantik, blühend und schwelgerisch, intim wie ein Nähkästchen in Budweis, apart wie Klänge aus böhmischen Dörfern und majestätisch wie der Prager Veitsdom.

Das Orchester zeigt sich von seiner besten Seite, die Holzbläser turteln, das Blech prahlt, die Streicher stellen feinste Seide her. Und Macelaru koordiniert diese „Legenden“ und die ebenfalls wunderschöne „Tschechische Suite“ so stilsicher, dass es wirklich wie eine imperiale Auslandstournee klingt und nicht wie eine Klassenfahrt.

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