Sieben gute Büchertipps Lesestoff für den Sommerurlaub

Service | Düsseldorf · Literatur vollbringt das Kunststück, aus ­­einem ­­Kontinent ein großes Ganzes zu schaffen. Wir ­­zeigen, was die einzelne Länder Europa so alles an lesenswerten ­­Geschichten zu bieten haben.

 Urlaubszeit ist immer auch ein Lesezeit.

Urlaubszeit ist immer auch ein Lesezeit.

Foto: Pixabay

Willem Frederik Hermans:

„Nie mehr schlafen“

Die Finnmark liegt im nordöstlichen Teil Norwegens und gehört zu den am dünnsten besiedelten Teilen des Landes. Dort spielt der schon 1966 verfasste, aber erst 2002 ins Deutsche übersetzte Roman „Nie mehr schlafen“ des niederländischen Autors Willem Frederik Hermans (1921–1995). Ein junger Student sucht nach Beweisen, dass die sogenannten Toteislöcher in der Region auf Meteoriteneinschläge zurückzuführen sind. Doch die Expedition bringt ihm nicht den erhofften Ruhm, sondern droht, zum Desaster zu werden. Mal humorvoll, mal sarkastisch beschreibt Hermans seinen Protagonisten, der plötzlich am Ende der Welt auf sich allein gestellt ist. Eine kluge Parabel auf das Leben an sich. (G. Kiepenheuer, 319 Seiten, 20 Euro) bew

Kirsten Boie:

„Ein Sommer in Sommerby“

Hoch oben im Norden von Schleswig-Holstein, wo sich die Häuser unter ihre Reetdächer ducken, die Stockrosen im Wind schaukeln, das Wasser der Schlei in der Sonne funkelt und die Segelboote in die Ostsee gleiten – dort, an jenem Meeresarm, spielt Kirsten Boies Roman „Ein Sommer in Sommerby“. Es gibt diesen Ort, und es gibt ihn nicht. Jedenfalls nicht so, wie er im Sommerby‘schen Sommeridyll auftaucht. Und die Marmelade kochende Oma Inge mit dem Luftgewehr gibt es natürlich auch nicht. Dorthin, auf diese W-Lan- und fernsehfreie Landzunge zur unbekannten Oma Inge verschlägt es Martha (12), Mikkel (7) und Mats (4). Sie helfen, Marmelade einzukochen, Hühner zu füttern, geraten in Seenot. Sie lernen eine wortkarge, wehrhafte alte Frau kennen, die so gar nicht hinter dem Mond lebt, und sie lernen, dass in Familienkonflikten Gut und Böse nicht immer so offensichtlich verteilt ist, wie man glaubt. Geeignet für Kinder ab acht Jahre zieht „Sommerby“ auch viele Erwachsene in seinen Bann. Es gibt ein Buch, als Hörbuch gelesen von Julia Nachtmann. Die Bände Sommer, Herbst und Winter gibt es und inzwischen auch ein Kochbuch. (Oetinger-Verlag, 320 Seiten, 15 Euro) saja

Monika Helfer: „Die Bagage“

Eine Familie hat jeder. Und manchmal wird sie auch zu einer richtigen Bagage. Wie in diesem Roman, der die Bagage sogar im Titel führt, der in Österreich spielt und klassischerweise in einem Bergdorf. Dort lebt im Abseits die Bagage, in der Zeit des Ersten Weltkriegs, der Entbehrung, der Flucht in die Liebe und eines Familiendramas. Grete wird geboren, mit der Josef, das Familienoberhaupt, kein einziges Wort spricht. Dieses Kind aber ist der Anfang allen Erzählens, denn es wird die Mutter der Autorin Monika Helfer (74) sein. Was für eine Sprache! Was für eine Bagage! Allein für diesen Roman lohnt sich jede Urlaubsreise nach Österreich. (Hanser, 160 Seiten, elf Euro) los

Donna Leon: „Milde Gaben“

Wer könnte La Dolce Vita besser vermitteln als Guido Brunetti aus Venedig? Seit rund 30 Jahren nimmt uns der sympathische Commissario mit auf kriminalistische Spurensuche in die verwinkelten Gassen und Wasserstraßen der Lagunenstadt. Vor verzwickten Machenschaften und der Mafia hat er keine Angst. Das Schöne dabei: Niemals kommt bei Brunetti das wahre Leben zu kurz. Ein ausgiebiges Essen mit Ehefrau Paola, ein Glas Wein auf der heimischen Terrasse über den Dächern der Stadt – so viel Zeit muss sein. Mediterraner Charme, fein gesponnene Kriminalfälle, die Mischung macht Lust auf Italien. (Diogenes, 352 Seiten, 25 Euro reg

Francesca Reece:

„Ein französischer Sommer“

Der Romancier Michael sucht eine junge Fachkraft, die die Tagebücher seiner aufregenden Jahre abtippt. Das gelingt am besten in einem südfranzösischen Etablissement, wo das Meer nah ist, die Nacht lau, der Fisch fangfrisch und der Weinkeller gefüllt. Natürlich verliebt er sich in Leah, zumal sie ihn an die geheimnisvolle Astrid erinnert, die jene Tagebücher dominiert. Die englische Autorin Francesca Reece macht daraus ein faszinierendes Duell zweier Ich-Perspektiven, das dramatisch in der Frage kulminiert: Was wurde aus Astrid? Ein wunderbares Buch, nicht nur zwischen Nizza und Montpellier zu lesen. (S. Fischer, 447 Seiten, 24 Euro) w.g.

Bernardine Evaristo:

„Mädchen, Frau etc.“

Zwölf Frauen, zwölf Geschichten, die Bernardine Evaristo liebevoll und einprägsam in „Mädchen, Frau etc.“ erzählt. Es sind kurze Geschichten, die von Herkunft, Sexualität, Identität und dem Leben als schwarze Frau in London erzählen. Die Geschichten ziehen die Leser in ihren Bann, und es fällt schwer, die Frauen nach knapp 40 Seiten wieder gehen zu lassen. Dabei tröstet es, zu wissen, dass sich die Wege der Frauen immer wieder kreuzen und man den lieb gewonnenen Charakter in der nächsten packenden Geschichte wiedertreffen kann. (Tropen, 512 Seiten, 25 Euro) nina

Claire Keegan:

„Kleine Dinge wie diese“

Diese Geschichte spielt in der Kleinstadt New Ross im Irland der 1980er-Jahre, und sie handelt von dem Kohlenhändler Bill Furlong. Bill ist ein aufrechter Kerl, der seine Familie durch die harten Zeiten bringt, und er versorgt auch das Nonnenkloster des Ortes mit seiner Ware. In dessen Kohlenschuppen macht er eines Tages eine Entdeckung, die sein Leben auf den Kopf stellen wird. Er wird zum Kämpfer für die Menschlichkeit, obwohl der Preis hoch sein könnte. Claire Keegan erzählt ihren Kurzroman in einem klaren, eleganten und knappen Stil. Obwohl die Ereignisse dramatisch sind, bleibt ihr Ton unaufgeregt. Ein Hauch von Charles Dickens weht durch diese Prosa, und ihre Hauptfigur Bill Furlong wird man so schnell nicht vergessen. (Steidl, 112 S., 18 Euro) hols

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