Theater Ein Spaziergang mit Theaterleuten

Düsseldorf · Das Forum Freies Theater nutzt die Corona-Zeit zu einem kreativen Austausch mit dem Publikum: mit ihrem Projekt „Walk &Talk“. Zur Premiere trafen sich jetzt Hildegard Kannengießer mit Regisseur Ingo Toben.

 Regisseur Ingo Toben und Hildegard Kannengießer lassen ihre Route noch einmal Revue passieren.

Regisseur Ingo Toben und Hildegard Kannengießer lassen ihre Route noch einmal Revue passieren.

Foto: Anne Orthen (orth)

Was soll, was kann, was darf Theater? Und wie wird seine Zukunft sein? Fragen, die sich nicht nur die Macher stellen, sondern auch das Publikum. Das Forum Freies Theater (FFT) macht sich mit dem neuen Format „Walk & Talk“ auf die Suche nach Antworten. Jeweils freitags treffen sich Theaterleute mit ihrem Publikum zu einem impulsgebenden Spaziergang. Startpunkt sind die FFT-Kammerspiele.

Es ist gewissermaßen ein Blind Date, denn die Teilnehmer wissen nicht, mit wem sie sich auf den Weg machen werden. Hildegard Kannengießer trifft zur Premiere am Freitagnachmittag auf Regisseur Ingo Toben. Der wird später begeistert bilanzieren: „Wir waren von Anfang an auf Augenhöhe, es gab nicht die Rollenverteilung: Theatermensch und Zuschauerin“.

Die beiden bekommen zum Start drei verschlossene Umschläge und einen Routenvorschlag in die Hand. Dann kann es losgehen. Die Chemie stimmt. Man ist gleich im Gespräch und einigt sich, von der vorgeschlagenen Wegführung abzuweichen. „Wir hätten durch Ständehauspark und am Schwanenmarkt vorbei Richtung alter Hafen laufen können“, sagt Ingo Toben zum FFT-Vorschlag. „Immerhin haben wir den Rhein noch von weitem gesehen“, ergänzt Hildegard Kannengießer. Die beiden zogen es vor, ihren kreativen Plausch in den Rosengarten am Stadtmuseum zu verlegen. Während sie eine Gruppe beim Sport beobachten, berichten sie sich gegenseitig von ihren Bühnenerfahrungen. Denn nicht nur Ingo Toben hat Theaterblut in den Andern, auch seine Begleiterin hat bereits Bühnenluft geschnuppert. „Ich habe in der Bürgerwerkstatt Theater gespielt“, verrät sie.

Das FFT, ein Garant für innovative Konzepte und Partizipation des Publikums, möchte mit „Walk & Talk“ die Zeit der Umbrüche nutzen, Ideen, Meinungen und Kritik zu sammeln, auszuwerten und in die Arbeit einfließen zu lassen. Denn nicht nur Corona zwang die Künstler geplante Projekte neu zu denken: „Wir werden auch in der ersten Hälfte 2021 in die neuen Räume an Konrad-Adenauer-Platz umziehen, und an diesen Prozessen möchten wir das Publikum teilhaben lassen“, sagt Christoph Rech, dramaturgischer Leiter des FFT. Das Format hat nur einen groben Rahmen. „Wir wollen nicht zu viel vorgeben, um Raum für Kreativität zu lassen“, so Rech.

Nun sprudelt nicht gleich jeder über mit Ideen und Vorschlägen; mancher tut sich vielleicht auch etwas schwer, im Gespräch mit einem Kreativschaffenden zu plaudern. Hier kommen die verschlossenen Umschläge ins Spiel, die Hildegard Kannengießer und Ingo Toben mit auf den Weg bekommen haben. Die darin enthaltenen Karten stellen Fragen wie: Was mache ich beruflich? Bin ich dabei sichtbar? Was ist mein Lieblingsort in Düsseldorf?

Das Team Kannengießer / Toben hat den ersten Umschlag geöffnet. Auf der Karte darin lesen sie: Wer bin ich in der Stadt? „Das ist genau die passende Frage“, meint Hildegard Kannengießer und erzählt von ihrer Zeit als Teil der Bürgerwerkstatt. „Wir haben die Karte gar nicht umgedreht. Sonst hätten wir gesehen, dass dort noch Anregungen gestanden haben“, verrät Toben. Nötig waren die aber nicht, weil es auch so reichlich Gesprächsstoff gab. Nach einer knappen Stunde sind die Spaziergänger wieder an den Kammerspielen an der Jahnstraße angekommen. Im Foyer stehen Tische und Stühle  für eine kleine Aufgabe zum Abschluss des Treffens bereit: Sie werden gebeten, ihre Eindrücke, Erlebnisse und ihr Resümee des gemeinsamen Spaziergangs zu dokumentieren. In kurzen Sätzen, Bildern und durch Aufzeichnen ihrer Route. Das Ergebnis wird zum Abschluss des Projekts als Buch veröffentlicht.

Am Ende sind sich beide einig, dass die angesetzte Zeit von rund einer Stunde „viel zu kurz“ gewesen sei. Sie hätten sich gerne noch länger ausgetauscht. Und wie sehen sie die Zukunft des Theaters? „In mehr Partizipation des Publikums mit Formaten wie diesen“, wünscht sich Kannengießer. „Wir haben Lust auf mehr“ sagen die beiden, bevor sie sich verabschieden. Für Hildegard Kannengießer ist klar: „Ich bin bestimmt nicht zum letzten Mal mit spazieren gegangen.“

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