Salzburg Gurlitt gibt Kunst jüdischen Erben zurück

Salzburg · Das Team um den Kunst-Erben gewährte jetzt auch Einblick in den Salzburger Teil seiner Kollektion, darunter Werke von Monet.

Zuletzt war es um die Sammlung Gurlitt still geworden, jenen Kunstschatz, den der "Focus" vor einem Jahr überraschend an die Öffentlichkeit gezerrt hatte und der seitdem zahlreiche Erben früherer, vor allem jüdischer Besitzer auf den Plan rief. Sie machten ihre Ansprüche geltend auf Renoir und Gauguin, auf Matisse und Cézanne — Ansprüche, deren Berechtigung gar nicht so schnell zu überprüfen war. Denn um zu beurteilen, ob es sich um Kunst handelt, welche die Nationalsozialisten raubten, bedarf es umfangreicher Nachforschungen. Dazu aber reichte das Personal jener Taskforce nicht, welche die Bundesregierung eingesetzt hatte.

Jetzt ist wieder Bewegung in die Angelegenheit gekommen — Bewegung, die das Ziel einer vollständigen Aufklärung in noch weitere Ferne rückt. Denn die Anzahl der Kunstgegenstände, um die es geht, hat sich abermals erhöht. Cornelius Gurlitt, der 81-jährige Sohn des 1956 gestorbenen Kunsthändlers und Sammlungsgründers Hildebrand Gurlitt, hat Reportern Einblick gegeben in jenen Teil seiner Sammlung, der sich nicht in Schwabing befand, sondern an seinem früheren Wohnort Salzburg. Und siehe da, dieser Salzburger Schatz besteht nicht wie bislang angenommen aus 60, sondern aus 238 Werken: Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Skulpturen.

Dazu zählen Courbets "Porträt von Monsieur Jean Journet" von 1850, eine "Badeszene" von Max Liebermann, eine von Claude Monet gemalte Ansicht "Waterloobrücke" von 1903 und ein Seestück von Edouard Manet. Diese und die übrigen Werke lagern zurzeit an einem geheimgehaltenen Ort in Österreich, im dritten Stock eines unscheinbaren Hauses, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Dort werden die Arbeiten gereinigt — Bilder auch von Picassso, Renoir und Seurat, von Tischbein und Degas, von Rousseau und Cézanne. Wie der 1280 Werke umfassende Schwabinger Teil der Sammlung umfasst auch der Salzburger zahlreiche Arbeiten auf Papier.

Bislang befasste sich vor allem die von der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung eingesetzte Taskforce damit, das Schicksal der entdeckten Kunstwerke zu klären; der Salzburger Fund war ihr noch nicht bekannt. Jetzt verlautete, dass auch Cornelius Gurlitt selbst seine Schätze erforschen lassen will. "Wir sind dabei, etwas auf die Beine zu stellen", sagte laut "Süddeutscher" sein Betreuer, der Münchner Anwalt Christoph Edel. Entweder würden unabhängige Provenienzforscher beauftragt oder bereits "bestehende Institutionen" in die Forschung einbezogen. "Ganz konkrete Fälle von Raubkunst-Verdacht haben wir bei Salzburg noch nicht", hieß es. Gurlitts Anwalt Hannes Hartung hatte fünf der Bilder ausgewählten Medien zur Veröffentlichung freigegeben, bevor ihm Gurlitts Betreuer Edel das Mandat entzog. Hartung ist, wie die "Süddeutsche" berichtet, "ziemlich sicher", dass Gurlitts Vater diese fünf nicht von jüdischen Besitzern unter Wert erworben, dass er ihre Notlage nicht ausgenutzt hat, dass sie ihnen auch nicht einfach weggenommen wurden.

In einem anderen Fall hat die Augsburger Staatsanwaltschaft jetzt eine Entscheidung getroffen. Es handelt sich um Henri Matisses Gemälde "Sitzende Frau". Das Bild stammt aus dem Schwabinger Teil des Funds und ist im vorigen Jahr schon publiziert worden. Die Staatsanwaltschaft will das Werk an die Erben des jüdischen Vorbesitzers herausgeben, "wenn eine entsprechende Vereinbarung vorgelegt wird und der Betreuer des Beschuldigten mitteilt, dass aufgrund dessen das Bild herausgegeben werden darf". Die Vereinbarung zwischen Gurlitt und den Enkelinnen des Pariser Kunsthändlers Paul Rosenberg, Marianne Rosenberg und Anne Sinclair, soll in der kommenden Woche unterzeichnet werden. Verhandlungen mit weiteren Erben möglicher Nazi-Raubkunst dauern an, hieß es.

Als deutsche Truppen 1940 Frankreich überfielen, versteckte der Pariser Kunsthändler Rosenberg, dem die "Sitzende" gehörte, das Gemälde mit anderen Werken in einem Tresor im Städtchen Libourne. Nazi-Schergen stahlen 1941 den Schatz. Das Porträt gehörte für kurze Zeit zur Beute-Kunstsammlung Hermann Görings. Der tauschte es mit dem Kunsthändler Gustav von Rochlitz gegen ein Werk aus der Schule von Fontainebleau. Später gelangte das Bild auf ungeklärtem Weg zu Cornelius Gurlitts Vater.

Rosenbergs Enkelinnen — Marianne Rosenberg, prominente Anwältin in New York, und Anne Sinclair, einstige Ehefrau von Dominique Strauss-Kahn, dem früheren Chef des Internationalen Währungsfonds — hatten die Werke des Großvaters nie verloren gegeben. "Ich begreife das als einen Kreuzzug", hat Marianne Rosenberg einmal gesagt. Im Fall des Matisse-Bildes zumindest scheint ein glückliches Ende jetzt unmittelbar bevorzustehen. Was die übrigen Werke des Gurlittschen Schatzes anlangt, so garantieren sie Provenienz-Forschern noch auf Jahre hinaus Vollbeschäftigung.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort