Rom CD-Edition porträtiert Maria Callas live in 20 Opern

Rom · Bühne ist anders als Studio - der Künstler sieht oder ahnt das Publikum, spürt die Aura, das eigene Lampenfieber, die Kreativität, die Unwiederbringlichkeit des Augenblicks. Mancher Musiker fürchtet diese Reflexe allerdings mehr, als dass er sie liebt.

Für Maria Callas, die Große, waren solche Überlegungen keine ernsthafte Kategorie ihres Künstlerdaseins. Die griechische Sopranistin kannte keine Schonung, keine rational festgelegte Zurückhaltung. Wo sie stand und sang, gab sie immer alles. Das führte im besten Fall zu einer alle Hörer entflammenden Unmittelbarkeit ihres Singens, zuweilen auch zu Exhibitionismus, allerdings nie zu Äußerlichkeit. Bei der Callas wirkte auch der Seelen-Striptease wie eine Notwendigkeit.

Nun wird die Frage, ob die Callas in Live-Aufführungen nicht doch eine Spur radikaler, authentischer, hingebungsvoller war, durch eine großartige CD-Edition beantwortet. Die Schallplattenfirma Warner hat eine Reihe von Live-Aufnahmen der Künstlerin aus den Jahren 1949 bis 1964 einem umfangreichen Remastering unterzogen. Zwar hat die digitale Tonkunst nicht alles optimieren können, und im Kleingedruckten heißt es auf der Box: "Die eingeschränkte Tonqualität einiger Mitschnitte dieser Edition (besonders ,Nabucco' ,Armida' und ,Alceste') erklärt sich aus den schwierigen technischen Umständen der Aufnahmen." Aber der Löwenanteil klingt trotz altersbedingter Historizität der Aufnahmen erstaunlich gut, unbeschwert von Schlacke.

Im Einzelnen beschert uns die Edition (im Handel knapp 100 Euro) 20 Opern und erlesenes Repertoire: etwa die grandios hitzige Aufnahme von Verdis "I Vespri Siciliani" unter Erich Kleiber aus Florenz (1951); die legendäre Berliner Karajan-Aufnahme von Donizettis "Lucia" und zwei nicht minder hinreißende Abende aus der Mailänder Scala: "La Sonnambula" und "Medea" unter Leonard Bernstein. Wenn wir schon bei den großen Dirigenten sind, die der Diva als Maestri Paroli bieten konnten, so begeistern noch heute "Macbeth" unter Victor de Sabata und "Parsifal" unter Vittorio Gui. Die Callas als Kundry zwischen Belcanto und Hysterie - eine beeindruckende Erfahrung.

(w.g.)
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