Bonn Bundespräsident Gauck sagt Adieu mit Clara und Robert Schumann

Bonn · Der Bundespräsident gibt sich die Ehre und lädt zum letzten Mal, bevor er in den Zustand a. D. vorrückt, in die Bonner Villa Hammerschmidt. Sie war Joachim Gauck in seiner Amtszeit bürgerlicher Ruheort und gewiss auch politisch-emotionale Zuflucht, wenn ihm Berlin zu strudelig vorkam.

Die Villa Hammerschmidt ist indes auch ein Ort, an dem die Sinne zur Mäßigung kommen. An den Wänden hängen üppig florale, nervenschonende Riesenblätter von Bernard Schultze, dem Gründervater des Informel, im Hintergrund rauscht gemächlich der breite Vater Rhein; sanft spürt man die Fernwehen der Bonner Republik. Für manche war Bonn nicht so schön, etwa für den Komponisten Robert Schumann. Er starb 1856 an den Spätfolgen einer Syphilis in der Nervenheilanstalt Bonn-Endenich.

Dieser Schumann ist dem musikbegeisterten Bundespräsidenten nun einen ganzen Abend wert, und nicht nur aus politischer Korrektheit wird Gattin Clara ins Programm integriert. Ohne Clara wäre Schumann versauert, ihre Liebe hat er als Versicherung in jeder Hinsicht begriffen. Es war eine bizarre Ehe, in der Clara - der Wahrheit die Ehre - nicht immer glücklich war. Auch deshalb zierte ihr Bild zu Recht den 100-Mark-Schein, noch ein Relikt der Bonner Republik.

Junge Künstler, allesamt Preisträger von Wettbewerben, bieten dem Bundespräsidenten, seiner Partnerin Daniela Schadt ("Komm mal zu uns, Dani!") und einem kleinen Kreis geladener Gäste ("dunkler Anzug, kurzes Kleid" lautete die Kleiderordnung) 90 Minuten lang einen Einblick in das verwirrende musikalische Leben der Schumanns. Die Musiker pflücken pralle und auch versteckte Früchte vom Schaffensbaum des berühmten Paares. Dabei landen sie nicht im berüchtigten Obstkorb aus Meisterwerken; eher vermittelt das Sortiment ein Aroma eines ergiebigen Künstlerateliers, in welchem Clara als Komponistin durchaus hell hervorsticht.

Es gibt weniger bekannte Klavierwerke aus den "Noveletten" und den "Bunten Blättern" von Robert sowie Variationen von Clara, einfühlsam gespielt von Zhang Cheng. Zwei junge Sänger (Anne-Theresa Möller und Jean-Christoph Fillol) kümmern sich um Raritäten aus den Liederzyklen des hohen Paars; am Klavier assistiert behutsam Claar ter Horst. Katty Salié moderiert mit Witz und Charme, Robert Dölle liest in Briefstellen nicht über die Abgründe hinweg, die sich unter der vorgeblich heilen Welt der Schumanns auftaten.

Hinterher ist der Bundespräsident glücklich und bekundet noch einmal seine Liebe zu Bonn: "Hier habe ich viel Liberalität erleben dürfen." Dann lässt er Nahrungsmittel in sehr kleinen Formaten herumreichen. Der Weißwein ist gut gekühlt, ein finales Kartoffelsüppchen entlässt den Besucher wärmend in die Nacht. Draußen winken uns freundliche Polizisten aus dickleibigen Mannschaftswagen zu. Ja, die Bonner wüssten noch heute einen Staat entspannt zu repräsentieren und zu bewachen.

(w.g.)
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