Gigi Hadid und Kendall Jenner tun es auch Das Buch ist die neue Handtasche

Die Modewelt ist neuerdings verrückt nach Büchern. Große Labels bitten Schriftsteller um Kooperationen, Models gründen Leseclubs. Und auf Paparazzibildern ist das richtige Hardcover wichtiger als die neue Handtasche.

  Dior präsentierte seine Herrenkollektion für den Herbst auf einer Papierbahn mit   dem Text    von Jack Kerouacs    „On the Road“.

Dior präsentierte seine Herrenkollektion für den Herbst auf einer Papierbahn mit dem Text von Jack Kerouacs „On the Road“.

Foto: Vianney Le Caer / dpa

Angefangen hat es bei der Fashion Week in Mailand vor drei Jahren. Da trat das Supermodel Gigi Hadid ins Freie, und wie immer tat sie so, als sei sie so tief in Gedanken versunken, dass sie den wimmelnden Fotografen-Auflauf nicht bemerkt. Es könnte gut sein, dass sie an jenem Tag tatsächlich ein bisschen melancholisch war und an den Existenzialismus dachte, denn die damals 24-Jährige trug den Roman „Der Fremde“ von Albert Camus in einer Ausgabe mit auffälligem Cover bei sich. Das Foto von dieser Szene ging um die digitale Welt, kaum jemand achtete noch auf die Kleidung, die meisten fanden Hadids Literaturgeschmack viel interessanter.

Seither haben sich Buch und Mode zu so etwas wie einer Amour fou verbunden, wie man in Paris sagt, wenn es leidenschaftlich wird. Bücher sind zum begehrenswerten Objekt geworden, zu einem Statement, das mindestens ebenso viel aussagt über die Besitzerin oder den Besitzer wie die Wahl der richtigen Handtasche oder des Turnschuh-Modells. Bücher sind Codes.

Die „New York Times“ listete jüngst staunend auf, welche Modehäuser neuerdings den Lit-Chic pflegen. Etro ließ Models mit Buch in der Hand über die Flure der Bocconi-Universität in Mailand paradieren. Loewe druckte auf den Abendzettel zu einer Modenschau einen Auszug aus Danielle Steeles Roman „The Affair“. Proenza Schoeler bat die Schriftstellerin Ottessa Moshfegh um eine Kurzgeschichte. Chanel betreibt einen Literatur-Podcast, bei dem Charlotte Casiraghi über Bücher spricht. Valentino wirbt mit Tafeln, für die etwa Douglas Coupland Beiträge liefert. Nobelpreis-Kandidat Haruki Murakami arbeitete mit Uniqlo zusammen. Und besonders toll war die letzte Männer-Modenschau von Dior: Die Models liefen auf einer Rolle Endlos-Papier, auf die der Roman „On The Road“ gedruckt worden war. Der Mythos besagt, dass dessen Autor Jack Kerouac den Text in drei atemlosen Wochen auf eine solche Bahn geschrieben haben soll.

Eine Art Vorläufer des Flirts zwischen Celebrity- und Hochkultur ist ein Foto, das Marilyn Monroe zeigt, wie sie „Ulysses“ von James Joyce liest. Dann gibt es die Szene in „Der Teufel trägt Prada“, in der Miranda Priestly, die ja der „Vogue“-Chefin Anna Wintour nachempfunden ist, für ihre Zwillinge den neuen „Harry Potter“-Band besorgen lässt. Es gibt nur ein Problem: Er ist noch nicht erschienen. Sozusagen als Hommage wird Valentino demnächst eine Box an 100 ausgewählte Influencer senden. Darin sollen drei Schubladen sein, in denen je ein unveröffentlichtes Buch liege. Die Druckfahne als Reisepass ins Land der happy few.

 Bella Hadid bei der Paris Fashion Week 2019 mit Stephen Kings „The Outsider“.

Bella Hadid bei der Paris Fashion Week 2019 mit Stephen Kings „The Outsider“.

Foto: Claudio Lavenia / Getty Images

Die Definition des „guten Buchs“ hat sich durch den Trend ein wenig verändert. Es geht jetzt nicht unbedingt nur um den Inhalt, sondern auch und manchmal vor allem um den Einband. „Never judge a book by its cover“ gilt jedenfalls nicht mehr. In Los Angeles gibt es Agenturen, die Promis Bücher für perfekte Auftritte oder für die Regalwand daheim empfehlen. Manchmal geht es da nur um die Farbe. Öfter allerdings um die Verstärkung der Außenwirkung. Kendall Jenner, die sich bei Instagram sehr aktiv als Leserin inszeniert, gibt zu, dass sie ihren Berater die Titel auswählen lässt. Beide haben ein sicheres Händchen: Essays von Melissa Broder sind darunter, Texte von Joan Didion, Miranda July und Lydia Davis. Also nur das Beste.

Ebenfalls bei Instagram sieht man die Model-Kolleginnen Bella Hadid (die jüngere Schwester von Gigi Hadid) und Emily Ratajkowski Bücher von Stephen King und bell hooks lesen. Hadid nutzte Kings 750 Seiten starken Band „Der Outsider“ zudem als Sichtschutz, als sie den Paparazzi entfliehen wollte. Den besten oder buchstäblich erlesensten Geschmack beweist indes Kaia Gerber. Sie wurde schon fotografiert mit Ausgaben von Kathy Acker, Tom Wolfe, Hito Steyerl, Rimbaud, Borges, Roland Barthes und Platon. Seit dem Lockdown betreibt sie denn auch ihren eigenen virtuellen Bücherclub. Außerdem dokumentiert sie ihre Shoppingtouren in die Regalreihen und ruft dazu auf, unabhängige Buchhandlungen zu unterstützen.

 Model Kaia Gerber, Tochter von Cindy Crawford, verlässt die Bibliothek in New York.

Model Kaia Gerber, Tochter von Cindy Crawford, verlässt die Bibliothek in New York.

Foto: Kristin Callahan/dpa

Kurz nachdem Bella Hadid neulich in einem Sweatshirt mit dem Logo des legendären Strand Book Store gesehen wurde, war das Stück ausverkauft. In Modemagazinen wie „Grazia“ oder „Vogue“ tauchen nun immer häufiger kommentierte Leselisten von Promis auf. Und die Buchverkäufe in den USA liegen so hoch wie seit 2010 nicht mehr.

Es gab schon dümmere Trends.

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