Der Buchmarkt im Pandemie-Jahr Im Lockdown schlug die Stunde der Kochbücher

Frankfurt · Die deutsche Buchbranche kämpft sich durch das Pandemie-Jahr – mit ganz unterschiedlichem Erfolgen. Einige Sparten legten deutlich zu.

 Der deutsche Buchmarkt zeigte im Pandemiejahr viel Widerstandskraft.

Der deutsche Buchmarkt zeigte im Pandemiejahr viel Widerstandskraft.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Was tun, wenn die Gastronomie im Lockdown schließen muss? Einfach selber kochen. Und was, wenn einem das Kochen nicht so leicht von der Hand geht? Einfach nachlesen, wie es geht. Und so geschah es dann auch. Unter den Ratgeberbüchern hierzulande schlug 2020 die Stunde der Kochbücher, genauer: die Stunde der Grundkochbücher: Mehr als 27 Prozent des Ratgeber-Umsatzes entfielen auf das Segment „Essen und Trinken“. Neben den Kochbüchern sind es noch die Kinder- und Jugendbücher, die auf dem deutschen Buchmarkt zulegen konnten – aus ebenso nachvollziehbaren Gründen. Der Nachwuchs daheim ohne Schule braucht Betreuung, und wenn auch die Eltern im Homeoffice in Anspruch genommen werden, dient das Buch als Wissensstiller und Seelentröster. Im krisengeschüttelten Coronajahr wuchs der Umsatz der Bücher für die Kleinen um stolze 4,7 Prozent. Mehr als 17 Prozent aller verkauften Werke sind für Kinder und Jugendliche bestimmt. Meistverkaufter Titel des Jahres war übrigens „Das Neinhorn“ von Marc-Uwe Kling.

Das sind die erfreulichen Botschaften, die mit der jüngsten Markterhebung durch den Börsenverein des deutschen Buchhandels für 2020 zu uns dringen. Es sind auch fast schon die einzigen. Denn es war für die Buchhandlungen und Verlage nach etlichen schwierigen Jahren ein schlechtes Verkaufsjahr. Dass der Umsatz um 0,1 Prozent zulegte und bei 9,3 Milliarden Euro lag, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in etlichen Bereichen schlecht bis existenzbedrohend lief. Für Kalender und Reisebücher war die Pandemie mit den Reisebeschränkungen eine Katastrophe.

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Aber auch für spezialisierte Verlage wurde 2020 zur Herausforderung – von denen es insbesondere in NRW viele gibt. Sie bewerben und verbreiten ihre Fachbücher vor allem auf Messen und Fachtagungen, die allesamt nicht stattfanden, so Anja Bergmann, NRW-Regionaldirektorin des Börsenvereins. Hinzu kam, dass die Landesregierung dem Buchhandel nicht den Sonderstatus der Grundversorgung zuerkannte – als einziges Bundesland. Dadurch mussten die Buchläden in NRW weit länger als anderswo geschlossen bleiben. Dabei lief es nach dem ersten Lockdown erst einmal erfreulich an: Das Umsatzminus von etwa 30 Prozent aus dem Frühjahr hatte der Buchhandel bis zum Herbst wieder wettgemacht, bis dann der zweite Lockdown der „Aufholjagd“ ein Ende bereitete – mitten im lukrativen Weihnachtsgeschäft.

Immerhin, eine Corona-bedingte Schließung einer Buchhandlung hat es nach Information von Anja Bergmann in NRW nicht gegeben. Wohl aber wird nach ihren Worten das Problem größer, dass kleinere und inhabergeführte Buchhandlungen keine Nachfolger mehr finden. Diese Entwicklung könnte nach den Erfahrungen zweier Lockdowns und einer skeptischen Stimmung im Einzelhandel zunehmen.

Dass der Buchhandel insgesamt überraschend stabil durch die Krise gekommen ist, hängt auch damit zusammen, dass fast jedes Geschäft bereits Strukturen für einen eigenen Online-Shop hatte. Der hohe Grad der Digitalisierung ist ein Beleg dafür, dass Buchverkäufer sich erheblich länger als andere Einzelhändler dem Druck von Online-Anbietern stellen müssen. In Pandemiezeiten wurde das zum Vertrieb- und Verkaufserfolg. Während große Online-Händler Zuwächse um 7,2 Prozent erzielten, legte der klassische stationäre Buchhandel mit seinen Online Angeboten um 27 Prozent zu. „Die Menschen haben ein Bewusstsein dafür bekommen, dass man Online auch vor Ort einkaufen kann. Und wir hoffen, dass diese Kundenbindung weiter trägt“, so Bergmann.

Diese Treue hat auch etwas mit der Beratungskompetenz von Buchhändlern zu tun, die bei Online-Angeboten jedoch nicht mehr so im Vordergrund steht. Auch das macht sich nach Bergmanns Beobachtung bemerkbar: Trotz der tollen Newsletter und den netten Youtube-Videos etlicher Händler ist zu erkennen, dass eine Verschiebung zu Bestsellern stattgefunden hat.

Die Pandemie mit ihrem Digitalisierungsschub wird den Buchhandel auf absehbare Zeit vor neue Probleme stellen. Dazu zählen das digitale Schulbuch sowie digitales Lernmaterial. Und die Lizenzen dazu kann man beim Verlag direkt kaufen. Nun brachte das Geschäft mit Schulbüchern bislang nicht ganz so viel Gewinn, aber doch einiges an Umsatz.

So stark die Pandemie unsere Welt verändert hat, so schonend scheint sie vorerst mit der Buchwelt umgegangen zu sein. So ist beim Börsenverein auch von einer „erstaunlichen Widerstandskraft“ die Rede, die die Branche an den Tag gelegt hat. Beruhigen kann dies auf lange Sicht nicht. Zumal die Zahl der Leser und damit der Käufer kontinuierlich zurückgeht. Vor drei Jahren sorgte eine GfK-Studie „Buchkäufer – quo vadis?“ für eine formidable Untergangsstimmung. So waren zwischen 2013 und 2017 rund 6,4 Millionen Käufer verloren gegangen. In der Pandemie hat sich dieser Trend abgeschwächt, und so verzeichnet man 2020 den niedrigsten Rückgang der vergangenen zehn Jahre. Doch immerhin sind es weitere 400.000 Käufer, die 2020 den Büchern den Rücken zukehrten.

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