Buch-Kritik Yôko Ogawa: Das Museum der Stille

In den Erzählungen und Romanen von Yôko Ogawa, einer Meisterin der sanften Töne, stehen sonderbare Menschen im Mittelpunkt. So auch bei ihrem jüngstem, auf Deutsch erschienen Werk "Das Museum der Stille". Die japanische Autorin, die in ihrer Heimat sehr erfolgreich ist, erzählt von einer Welt, die wenig asiatisch wirkt.

 "Das Museum der Stille" von Yôko Ogawa.

"Das Museum der Stille" von Yôko Ogawa.

Foto: Liebeskind Verlag

Der namenlose Erzähler in Ogawa jüngstem Roman "Das Museum der Stille" bekommt einen Job in der Provinz eines nicht näher beschriebenen Landes. Seine Aufgabe ist es, in einem abgelegenen Bergdorf ein Museum mit Gegenständen Verstorbener einzurichten. Auftraggeberin ist eine alte Dame, die mit ihrer spröden Art über ihren Angestellten, einen betagten Gärtner, die Haushälterin und die Adoptivtochter herrscht. Seit sie 15 Jahre alt ist, sammelt sie Besitztümer Verstorbener. Sie ist überzeugt, jeder Mensch hinterlasse nach seinem Ableben zumindest einen Gegenstand, der Zeugnis für die zweifelsfreie Existenz dieser Person sei.

Als Hüterin dieser wertvollen Memorabilien sieht sie sich und glaubt, sie könne durch das Verwahren der Hinterlassenschaften den Tod des betreffenden Menschen vollenden. So ist im Laufe der Jahre ein beachtliches Sammelsurium aus kleinen Kostbarkeiten und wertlosen Alltagsgegenständen entstanden, und zu jedem Ding weiß die Alte eine Geschichte zu erzählen. Da ist das Diaphragma einer ermordeten Prostituierten, da ist die Operationsschere eines illegal tätigen Arztes, da finden sich eine Gartenschere und ein Stück konservierter Rasen.

Der junge Mann bewahrt zunächst Distanz zu dem ungewöhnlichen Auftrag und empfindet seine Chefin als verrückte Exzentrikerin. Aber nach und nach gibt er seinen Widerstand auf, und das Projekt wird zu seiner Passion. Als er sich auf die Suche nach Erinnerungsstücken zweier ermordeter Frauen macht, gerät er selbst ins Fadenkreuz der polizeilichen Ermittlungen und erkennt, dass es für ihn kein Entkommen gibt. Mit klarer, distanzierter Stimme wird diese eigenwillige Geschichte erzählt. Ein Fatalismus hängt über allem und lässt das Geschehen emotionslos vorüber laufen. Melancholisch kann man beim Lesen werden und sich in einer wirklichkeitsfremden Welt verlieren, in der man hinter jeder kleinen Begebenheit eine tiefere Bedeutung vermutet.

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