Rezension Yasmina Reza - Wer ist denn nun glücklich?

Düsseldorf · Yasmina Rezas neues Buch "Glücklich die Glücklichen" ist besonders. Besonders nicht unbedingt in der Themenwahl, denn das Buch behandelt die allgegenwärtigen Themen: Liebe, Beziehung, Einsamkeit, Krankheit und Tod. Jedoch ist der Umgang mit diesen Themen besonders, wer sich einen kitschigen Liebesroman mit Happy End erwartet, wird enttäuscht werden.

 Die Autorin Romina Wallner studiert im 6. Semester Kunstgeschichte und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Die Autorin Romina Wallner studiert im 6. Semester Kunstgeschichte und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Benjamin Heinig

21 Einzelerzählungen über oder von Menschen, die durch nichts außer ihren filigranen Beziehungsverhältnissen miteinander verbunden sind. Keine fortlaufende Handlung hält die Charaktere zusammen, erst gegen Ende werden einige Protagonisten in einen gemeinsamen Aktionsrahmen gesetzt. So wird man zu Beginn des Buches Zeuge eines profanen Streits zwischen einem Ehepaar, im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass beide Ehepartner noch jeweils einem Verhältnis frönen. Man kann hinter die lupenreine Fassade eines erfolgreichen Onkologen blicken oder man fühlt mit der einsamen Schauspielerin, die sich eine feste Beziehung wünscht. Von dem und noch viel mehr handelt Yasmina Rezas neues Buch.

Damit findet sich auch schon der größte Schwachpunkt von "Glücklich die Glücklichen": Yasmina Reza gewährt dem Leser Einsicht in Momentaufnahmen von unterschiedlichen Leben und Lebensweisen, die der voyeuristischen Neugier des Lesers nicht gerecht werden können. Sobald man sich als Leser ein wenig mit einer Figur auseinandergesetzt hat und man mehr über deren Gedankenwelt und Handlungsintentionen erfahren möchte, ist das Kapitel vorbei und man wird mit einer neuen Figur und deren Innenleben konfrontiert. Dadurch fehlt es einigen Figuren an der nötigen Tiefe, um wirklich greifbar und realistisch zu sein. So wirken einige Charaktere in ihrer Erscheinung sehr blass und nichtssagend. Aus diesem Grund kann sich "Glücklich die Glücklichen" auch nicht mit den anderen Werken von Yasmina Reza messen. Im Theaterstück "Der Gott des Gemetzels" gibt es zwar ebenfalls keine voranschreitende Handlung, allerdings ermöglicht der, den Figuren zur Verfügung gestellte Interaktionsrahmen, dem Leser bzw. Zuschauer einen tieferen Einblick in die Psyche der Figuren, wodurch sie deutlich greifbarer und farbenfroher werden.

Dennoch ist "Glücklich die Glücklichen" keinesfalls misslungen. Man wird schonungslos mit den unschönen Dingen des Lebens konfrontiert. Genau das macht dieses Buch herrlich anders. Denn wie im richtigen Leben ist nicht immer alles nur weiß oder schwarz, sondern eben manchmal grau. Trotz dieser Faktenlage ist das Buch nicht deprimierend, nein sogar unterhaltsam, was nicht zuletzt an den Dialogen von Frau Reza liegt. Ihr Gespür für Sprache macht jede Seite zu einem Lesevergnügen. Gerade bei den Mono- und Dialogen kann Yasmina Reza nicht abstreiten aus dem Theatergenre zu kommen. So wie bei dem Monolog einer Schauspielerin, die während eines Interviews mitbekommt, wie ihr Liebhaber eine andere trifft. "Ich hebe den Arm, Kellner, noch einen Wodka. Ich sage zur Journalistin, das macht mich wach, ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen. Immer muss ich mich rechtfertigen. Absurd. Ich bin dreißig, ich bin berühmt, ich kann an jedem beliebigen Abgrund tanzen." Traurig, menschlich, aber durch die Sprache nicht deprimierend.

Wenn man dieses Buch zur Hand nimmt, könnte man durch den Titel "Glücklich die Glücklichen" irregeführt werden und denken, dass dieses Buch von durch und durch glücklichen Menschen handelt. Wer von den dargestellten Protagonisten glücklich ist, bleibt offen. Wer unglücklich ist, allerdings auch. Das Buch ist, trotz der behandelten Themen, unterhaltsam und hat etwas herrlich Frisches; vielleicht ist es nicht die beste Lektüre für Frischverliebte, aber alle anderen werden dieses Buch genießen können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort