Buch-Kritik Ulrich Knellwolf: Der liebe Gott geht auf Reisen

Wenn Geistliche Weihnachtsgeschichten schreiben, erwartet der Leser wahrscheinlich eine Sammlung besinnlicher Gleichnisse. Da kommt "Der liebe Gott geht auf Reisen" von Pfarrer Ulrich Knellwolf doch etwas ungewöhnlich daher. Die 21 Kurzgeschichten basieren zwar auf der biblischen Weihnachtsgeschichte, bestechen jedoch durch viel Humor und feine Ironie.

 "Der liebe Gott geht auf Reisen" von Ulrich Knellwolf.

"Der liebe Gott geht auf Reisen" von Ulrich Knellwolf.

Foto: HASH(0x12cf43a8)

Die drei Einbrecher-Könige Chasp, Melk und Balz: Einer kommt von seiner Bündner Herrschaft im grünen Jaguar, der zweite fährt im roten Lamborghini vor, von seinem Gestüt im Thurgau kommend, und der dritte chauffiert seinen cremefarbenen Rolls von seiner schlossähnlichen Villa am Bodensee nach Zürich. Sie treffen sich standesgemäß in der weltberühmten Kronenhalle in Zürich, um ihren alljährlichen Weihnachts-Coup zu besprechen. Das ist eine lieb gewordene Tradition, die Polizei hätte sich wohl gewundert, wäre er ausgeblieben.

Die Ermittler auf eine falsche Fährte zu locken, ist eine der Spezialitäten der drei Einbrecherkönige. Dieses Jahr steht die Russenmafia auf dem Programm, im Visier haben sie eines der berühmtesten Juweliergeschäfte an der Zürcher Bahnhofstraße. Der Coup gelingt und die drei Einbrecherkönige benehmen sich am Schluss wie die heiligen drei Könige aus dem Morgenland.

Die drei Freunde Melchior, Pfarrer an der Zürcher Predigerkirche, der Psychoanalytiker Caspar und der Parfümeriebesitzer Balthasar denken über den Sinn von Weihnachten nach. Der eine glaubt, es sei die Liebe, der zweite, es sei die Selbsterkenntnis und der dritte glaubt, es gehe ums Freude machen mit Geschenken. Sie wollen an oberster Stelle, im Himmel, nachfragen. Und finden Gott, der einer Horde kleiner Engel eine Geschichte erzählt. Ihnen sagt er, die Weihnachtsgeschichte brauche keinen Sinn. Er stellt ernüchtert fest: Seit die Menschen vom Baum der Erkenntnis gegessen hätten, wollten sie immer nur urteilen statt zuhören.

In der Titelgeschichte merkt der liebe Gott, dass sich die Menschen immer mehr von ihm entfernen. Er will zu ihnen gehen. Ein kritischer Engel warnt den lieben Gott vor Illusionen. Die Reise könnte gefährlich werden, die Menschen könnten den lieben Gott töten.

Gott reist am liebsten inkognito

Unter den Engeln beginnt ein hektisches ganz und gar irdisches Getue, als sie von der geplanten Reise erfahren. Aber der liebe Gott will weder Staatskarosse noch Sternenmantel, auch die Diplomatenengel sollen an ihre Arbeitsplätze zurück und die himmlischen Heerscharen sowieso. Er will inkognito reisen.

Zur Vorbereitung schickt er lediglich den Engel Gabriel nach Nazareth zu Maria, um ihr zu sagen, dass ihr erstes Kind der Messias sein werde. Gott will als Kind zu den Menschen gehen und ihnen Liebe bringen und möchte, dass sie reagieren wie Maria, die zunächst erschrickt, dann aber seine Gnade erkennen.

Pfarrer und Autor Knellwolf erzählt biblische Geschichten, aber ohne jede Frömmelei, ohne erhobenen Zeigefinger. Sie sind zwar verbrämt mit viel Zürcher Lokalkolorit, aber sie könnten auch in Hamburg, in München oder in Leipzig spielen. Überall vermögen sie beim Leser ein heiteres, aber auch besinnliches Schmunzeln hervorzurufen, ihn geradezu zu verzaubern. Sie sind ideal geeignet, überall in der Welt am Weihnachtsbaum vorgelesen zu werden.

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